Neue Erkenntnisse über die Entwicklung von Blutgefäßen könnten Krebstherapie verbessern
Angiogenese ist der Prozess für Bildung, Wachstum und Stabilisierung neuer Blutgefäße, die aus dem bestehenden Gefäßnetz stammen. Sie ist bei der Bildung des Gefäßnetzes während seiner Entwicklung aber auch bei der Selbstregulierung beteiligt, also der Fähigkeit, in einem Organismus die interne Stabilität zu erhalten, um Veränderungen der Umwelt auszugleichen. Die Sprossung bei der Angiogenese ist eine von mehreren Möglichkeiten einer Endothelzelle (also einer Zellart, die alle Blutgefäße umgibt und bildet), ihre Form so anzupassen, dass sie invasiv wird. Dabei bildet sie Ausstülpungen in Richtung der zukünftigen Sprossen und beginnt, sich in diese Richtung zu bewegen. Diese Zelle führt dann die anderen Zellen an, die zu den Bausteinen des entstehenden Gefäßes werden. Im Projekt MTUB-ANGIO sollte herausgefunden werden, welche Rolle das Zytoskelett aus Mikrotubuli spielt – ein Netzwerk aus röhrenartigen Fasern, das bei der Bildung eines Blutgefäßes als Gerüst fungiert. Die vom Marie-Curie-Programm unterstützte Hauptforscherin Dr. Maud Martin erklärt: „In einer Zelle können sich Mikrotubuli organisieren, indem sie sich an das Zentrosom anheften, also der wichtigsten Position, an denen Mikrotubuli sich strukturieren. Wenn sie sich nicht strukturieren, bindet sich ein Protein namens CAMSAP2 an ein Ende der Mikrotubuli und stabilisiert sie.“ Bisher wurde davon ausgegangen, dass das Zentrosom bei der Zellmigration eine wichtige Rolle als Kompass spielt, der die Richtung anzeigt, in die sich die Zelle bewegen wird. Um dies kritisch zu hinterfragen, wurden im Projekt in-vitro Kulturen von Endothelzellen genutzt, die aus Blutgefäßen der menschlichen Nabelschnur isoliert worden waren. Diese wurden entweder als 2D-Plättchen kultiviert, um die Zellmigration in Wundheilungsassays zu überwachen, oder als Kugeln, eingebettet in 3D-Kollagengels und sich formierende Sprossen. Die Arbeiten werden in einem vor Kurzem erschienenen Artikel vorgestellt. „Wir haben gezielt einen Wirkstoff auf das Zentrosom angesetzt, um zu zeigen, dass die Mikrotubuli, die am Zentrosom angeheftet sind, für die Zellmigration und Sprossung von Endothelzellen nicht notwendig sind. Im Gegensatz dazu lässt sich die Migration der Zelle in die vorgegebene Richtung auch verhindern, wenn man die nichtzentrosomalen Mikrotubuli durch Ausschalten von CAMSAP2 entfernt. Dadurch destabilisiert sich auch die Sprossenformation in der 3D-Matrix.“ Dieses tiefgründige Verständnis der Mechanismen hinter der Migration und Sprossung von Endothelzellen ist ein signifikanter Fortschritt. Da Angiogenese bei mehreren Störungen eine Rolle spielt, ist es wichtig, deren molekularen und zellulären Mechanismen grundlegend zu verstehen, um so auch in langfristiger Perspektive innovative Therapiemethoden zu entwickeln. „Angiogenese ist direkt mit der Entstehung von Krebs verbunden, weil Tumore mit Blut versorgt werden müssen, um zu wachsen und zu streuen. Mikrotubuli sind bereits ein Thema in der Krebstherapie. Damit bietet also das Wissen aus diesem Projekt eine gute Möglichkeit, den Einsatz bestehender Medikamente im Kontext angiogenesebasierter Therapien zu optimieren“, so Dr. Martin. Sie ist vom Erfolg des Projekts überzeugt, denn sie konnte darin das Wissen und die innovativen Bildgebungsmethoden, die sie sich erfolgreich im Labor ihrer Betreuerin Dr. Anna Akhmanova aneignen durfte, mit früheren Erfahrungen und ihrer Expertise verbinden. „Da ich mir bei physiologischen 3D-Prozessen detailliert zelluläre Mechanismen anschauen konnte, zum Beispiel auch an Tiermodellen, habe ich meinen Teil dazu beigetragen, dass die Lücke zwischen Daten aus der in-vitro-Biologie und ihrer Umsetzung in die in-vivo-Biologie geschlossen wird.“
Schlüsselbegriffe
MTUB-ANGIO, Angiogenese, zelluläre Mechanismen, Mikrotubuli, Cytoskelett aus Mikrotubuli, Zellmigration, Gefäßnetz, Endothelzelle