Neuronale Autophagozytose als Ursache für Gedächtnisstörungen
Altersbedingter Gedächtnisverlust bezeichnet die allgemeine Verschlechterung der Gedächtnisleistung und gilt als normaler Alterungsprozess. Allgemein bauen beim normalen Altern Gehirnstrukturen ab, die kognitive Funktionen wie Langzeit- oder Arbeitsgedächtnis steuern. Um neue, evolutionär konservierte Faktoren beim Menschen zu enthüllen, die beim Altern den physiologischen Abbau beschleunigen, müssen zunächst die entsprechenden biologischen Prozesse geklärt werden. Im Alter werden die Verbindungen im Gedächtnis durch verschiedene Faktoren gehemmt, etwa Fehlfunktionen bei der Freisetzung von Neurotransmittern und Ablagerungen in Beta-Amyloid-Peptiden, die verschiedene zelluläre Funktionen übernehmen. Diese Prozesse mindern die Gedächtnisleistung und können Gedächtnisstörungen wie Demenz und Alzheimer fördern. Altern gilt daher als einer der größten Risikofaktoren für die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen. Die Forschergruppe des Projekts AGE-MEMORY belegt nun erstmals einen Zusammenhang zwischen der Insulinproduktion und der Lern- und Gedächtnisleistung, da sie den natürlichen Prozess der Autophagozytose reguliert, die Abbau und Recycling von Zellorganellen steuert. Insbesondere verbesserte eine reduzierte Insulinsignalgebung die Lernfähigkeit, obwohl es die langfristige Gedächtnisleistung verschlechtert, da neuronale Autophagozytose induziert wird. Zusammenhang zwischen Autophagozytose und kognitiven Funktionen im Alter Das Team enthüllte die wichtigsten Proteine, die im Alter an der neuronalen Autophagozytose beteiligt sind, insbesondere das Signalprotein TOR, das verschiedene zelluläre Funktionen reguliert, und dessen abwärts gelagerte Zielstruktur sowie Rezeptor 5HT-7, der an Serotonin bindet. Dieser Neurotransmitter bzw. Botenstoff vermittelt Wohlbefinden und Glücksgefühl. „Wir fanden heraus, dass die Stimmungslage wie auch die Bildung von Langzeiterinnerungen durch neuronale Autophagozytose über 5HT-7 beeinflusst wird, einem Rezeptor mit evolutionär konservierter Struktur und Funktion bei Tieren. Offenbar ist diese Funktion abhängig von der Dephosphorylierung des NMDA-Rezeptors, einem sehr wichtigen Rezeptor für die Gedächtnisfunktion, der eine lange Lebensdauer reguliert“, sagt Professor Tavernarakis, Projektkoordinator von AGE-MEMORY und Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat. Die Studien an Tiermodellen (Fliegen und Würmern) machten zunächst einen Zusammenhang zwischen neuronalem Stoffwechsel und Autophagozytose deutlich. Wie sich zeigte, regulieren spezifische neuronale Schaltkreise die Entwicklung des Nervensystems, Langlebigkeit, Stimmungslage und Gedächtnisleistung. Basis für künftige Therapien bei neuronalen Erkrankungen Obwohl AGE-MEMORY das für die Entwicklung altersbezogener neuronaler Erkrankungen zuständige Signalnetzwerk identifizierte, sind noch weitere Studien nötig, bevor das Konzept therapeutisch umsetzbar wird. „Wir versuchen derzeit, hinter den Mechanismus zu kommen, über den das Induzieren von Autophagozytose die Expression und Funktionalität des spezifischen Serotoninrezeptors verändert“, erklärt Prof. Tavernarakis. Erste Ergebnisse des Projekts AGE-MEMORY zeigen, dass nicht nur die genetische, sondern auch die pharmazeutische Hemmung des spezifischen Serotoninrezeptors die Entwicklungs- und Gedächtnisstörungen rückgängig machen kann, die durch übermäßige Autophagozytose entstehen. „Interessant dabei ist für uns jetzt (nach Projektende) die Feststellung, dass der Verlust des 5HT-7-Rezeptors in der Entwicklung eine entwicklungsspezifische exzessive Autophagozytose abmildert. Dieser Prozess befördert die Entstehung und Progression mehrerer Erkrankungen des Nervensystems“, wie er hinzufügt. Auf dieser Grundlage könnten nun neue Therapien gegen exzessive, autophagozytosebedingte neuronale Störungen beim Menschen entwickelt werden. „Hierfür wollen wir unsere bisherigen Forschungen fortsetzen, um die Ergebnisse, sollten sie aussagefähig genug sein, auch für neue Therapien gegen spezifische neuronale Erkrankungen beim Menschen anzuwenden“, schließt Professor Tavernarakis.
Schlüsselbegriffe
AGE-MEMORY, Altern, Autophagozytose, Gedächtnisstörungen, Insulin, Langlebigkeit