Stabile Qubits für den Quantencomputer
Quantensimulation bezieht sich auf die Anwendung eines Quantensystems unter kontrollierten Laborbedingungen zur Simulation eines anderen Quantensystems, dessen Beschreibung außerhalb der Möglichkeiten konventioneller Computer liegt. Dieser Ansatz wird gut durch die denkwürdigen Worte des berühmten theoretischen Physikers Richard Feynman zusammengefasst: „Die Natur ist nicht klassisch. Wenn man die Natur simulieren will, dann macht man das am besten quantenmechanisch.“ Ultrakalte Atome und kalt eingeschlossene Ionen sind eines der vielversprechendsten Werkzeuge zur Simulation des Verhaltens komplexer Vielteilchensysteme. Der hohe Grad an Steuerbarkeit und neuartige Nachweismöglichkeiten gestatten die Erforschung neuartiger Quantenzustände der Materie, die in makroskopischer Größenordnung kaum realisierbar sind. „Bisher wurden bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung von Quantensimulatoren erzielt, die das Verhalten von komplexen technisch entwickelten Quantensystemen prognostizieren können. Dabei werden Vielteilchen-Hamilton-Operatoren zunehmender Komplexität auf gesteuerte Weise modelliert“, erläutert Prof. Fabrizio Illuminati vom EU-finanzierten Projekt EQuaM. Aus dem Chaos kommt die Ordnung EQuaM konnte die Tür zu einem besseren Verständnis der physikalischen Phänomene öffnen, die mit den kollektiven Quanteneigenschaften einiger Materialien in Verbindung zu stehen scheinen. Die an dem Projekt arbeitenden Forscher untersuchten eingehend Ensembles aus interagierenden ultrakalten Atomen und manipulierten diese, um das Verhalten frustrierter Quantenmagnete zu simulieren. „Frustration spielt bei exotischen Zuständen der Materie wie etwa Quantenspinflüssigkeiten eine zentrale Rolle“, sagt Prof. Illuminati. Frustrierte Magnete verhindern die geordnete Anordnung von Elektronenspins und so kollabieren diese in einen flüssigkeitsähnlichen Zustand. Elektronenspins weisen auch bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt weiterhin in unterschiedliche Richtungen. Die Forschenden stellten jedoch fest, dass sich die Atome spontan von selbst in einer anderen Art von Ordnung zu verteilen scheinen, die durch geordnete Muster der weiträumigen Quantenverschränkung in größeren Maßstäben – zumindest in der Größenordnung des überprüften Experiments – reguliert werden. „Eine der größten Herausforderungen für die Forscher war die Wiederherstellung der für die Entstehung von Quantenspinflüssigmaterialien im Labor erforderlichen Bedingungen und die Entwicklung geeigneter Werkzeuge für deren Nachweis und Steuerung, die ein vollständiges Verständnis ihrer Eigenschaften ermöglichen sollten“, ergänzt Prof. Illuminati. Frustration wird zum Segen Durch Beobachtung der charakteristischen Merkmale einer Spinflüssigkeit in einer frustrierten Quantenmagnetstruktur bieten sich grundlegende Möglichkeiten zum Verständnis der Physik im Grenzbereich von kondensierter Materie und Quanteninformationsverarbeitung. „Ein zentrales Merkmal dieses seltsamen neuen Quantenzustands geordneter Materie ist dessen topologischer Charakter. Anders ausgedrückt: In ihm sind seine globalen geometrischen Eigenschaften von den lokalen geometrischen Formen getrennt, die auf die Interaktion zwischen den mikroskopischen Bestandteilen zurückzuführen sind. Auf diese Weise ist er besonders widerstandsfähig gegenüber Störungen durch lokale Mängel und äußere Einflüsse“, erläutert Prof. Illuminati. Aber wieso ist das für Quantenanwendungen überhaupt von Bedeutung? Die Realisierung von Qubits mit langen Kohärenzzeiten ist das Herzstück der gesamten Quanteninformationstechnik. Die Fähigkeit der Qubits, in Superposition und Verschränkung zu verbleiben, wird stark durch intrinsische Unvollkommenheiten im System und durch jegliche, durch die Interaktion mit der äußeren Umgebung verursachte Schwankungen beeinträchtigt. Unter Ausnutzung der kollektiven Bewegung der den frustrierten Magneten simulierenden Atome ist es möglich, topologische Qubits zu erzeugen, die vor Interaktionen mit der Umgebung geschützt sind. Das ehrgeizige Ziel im Zusammenhang mit dem topologischen Quantencomputing besteht darin, gegenüber Dekohärenz immune Hardware zu entwickeln, um so die Notwendigkeit einer aktiven Fehlerkorrektur zu entschärfen. „EQuaM setzte erstmals in Europa einen passiven Ansatz für die effektiven Quantentechnologien anstelle eines aktiven, auf Fehlerkorrekturen basierenden Ansatzes um. Alle Systeme und Konfigurationen der topologischen Quantenmaterie sind an sich stabil und damit widerstandsfähig gegenüber nachteiligen Auswirkungen des Rauschens aus der Umgebung“, betont Prof. Illuminati. EQuaM hat demonstriert, dass es möglich ist, im Labor mit Hilfe von Ensembles aus ultrakalten Atomen stabile und geordnete Phasen der Quantenmaterie zu erzeugen, und hat das theoretische Verständnis der kollektiven Quanteneigenschaften dieser Art von Materie vorangebracht. Die Ergebnisse stellen auf dem Gebiet der ultrakalten Atome einen „Bit“-Sprung nach vorn dar. An ihnen wird die große Forschungsgemeinschaft, die sich mit den Gebieten Kohärenz und Quanteninformation beschäftigt, starkes Interesse haben, insbesondere im Zusammenhang mit der Planung stabiler und zuverlässiger topologischer Quantencomputer und Quantenspeicher.
Schlüsselbegriffe
EQuaM, Qubit, Quantencomputer, Quantencomputing, ultrakaltes Atom, frustrierter Magnet, Spinflüssigkeit, topologische Ordnung