Miniorgane in der Petrischale
Organoide sind dreidimensionale Strukturen, die aus adulten Zellen bestehen, welche das Ursprungsgewebe bis auf seine Basisorganisation und -funktion nachahmen. Sie gehen aus gewebespezifischen Stammzellen hervor, einer kleinen Unterpopulation von Zellen, die sich in jedem Organ befinden und die sich das ganze Leben über regenerieren können. Bei aktuellen In-vitro-Wirkstoff-Screening-Systemen werden Tumoren abgeleitete Zelllinien, Primärzellen oder Tiere verwendet, die allerdings allesamt nicht ideal geeignet sind. Um diesem Problem zu begegnen, schlugen die Wissenschaftler des EU-finanzierten Projekts TOXANOID die Züchtung von Organoiden für Dünndarm und Leber vor, welche zu Wirkstoff-Screening-Zwecken verwendet werden könnten. Dies ist der erste bewilligte Machbarkeitsnachweis des Europäischen Forschungsrates für Forscher Hans Clevers, der auf sein Projekt STEMCELLMARK zurückgeht, in dem ein molekularer Marker für Gewebestammzellen in mehreren Organen identifiziert worden war. „Ausgehend von unseren vorherigen Erkenntnissen konnten wir aus einzelnen Stammzellen, die den Marker Lgr5 exprimieren, epitheliale Organoide züchten und ausdifferenzieren“, erklärt Dr. Helmuth Gehart, ein wichtiges Teammitglied bei dem Projekt. Die Vorteile von Organoiden ausschöpfen Organoide weisen gegenüber bestehenden In-vitro-Systemen eine Reihe von Vorzügen auf. Ähnlich wie Zelllinien sind sie sehr ausdifferenzierbar und somit im Wesentlichen eine unerschöpfliche Ressource. Im Gegensatz zu Zelllinien bilden sie jedoch das gesunde Gewebe nach und sie enthalten Enzyme, die zur Verstoffwechselung pharmakologischer Stoffe erforderlich sind. Darüber hinaus lassen sie die Herausforderungen in Bezug auf die knappe Verfügbarkeit, die Variabilität von Charge zu Charge und die In-vitro-Kultur hinter sich, die mit Primärzellen verbunden sind. Organoide tragen zudem zur Überwindung ethischer Probleme bei, die sich in Verbindung mit Tierversuchen stellen und ihr menschlicher Ursprung verhindert falsche Positiv- oder Negativbefunde aufgrund von artenbedingten Unterschieden. Insgesamt gesehen machen diese Eigenschaften Organoide für standardisierte Assays geeignet, die z. B. erforderlich sind, um die Sicherheit und Wirksamkeit pharmazeutischer Stoffe zu prüfen. „Organoide ähneln Primärzellen in Form und Funktion und imitieren daher das ursprüngliche Organ. Natürlich gibt es ein breites Anwendungsspektrum für diese Miniaturorgane, die von der Krankheitsmodellierung, der Arzneimittelentwicklung und der regenerativen Medizin bis hin zu Unbedenklichkeitsprüfungen für neue Behandlungen reichen“, führt Dr. Gehart weiter aus. Das Team entwickelte erfolgreich Organoidsysteme für eine Reihe von Organen, darunter Dünndarm, Dickdarm und Leber. Trotz Unterschieden in den Kulturbedingungen zeigen sie alle hohe Proliferationsraten und die Fähigkeit zur Bildung verschiedener Epithelzellen des Ursprungsorgans. Im Rahmen der Studie demonstrierten Wissenschaftler die Machbarkeit organoidbasierter Assays für die Untersuchung der Wirkstofftoxizität in Darm und Leber. Organoide übertrafen Zelllinien wie z. B. HepG2-Zellen und zeigten ein den Primärzellen ähnliches Verhalten, da deren Fähigkeit zur Verstoffwechselung von Wirkstoffen in einem einfachen und kosteneffektiven In-vitro-Assay demonstriert wurde. Die Forscher mussten bestimmte Herausforderungen in Verbindung mit der dreidimensionalen Beschaffenheit von Organoiden überwinden. In diesem Kontext wurde ein neuartiger Assay geschaffen, der unter Verwendung bekannter toxischer und nicht toxischer Stoffe getestet wurde und der äußerst reproduzierbare Ergebnisse lieferte. Die Zukunft der Organoide Die TOXANOID-Studie zeigte vor allem, dass die Technologie aktuelle In-vitro-Systeme übertreffen kann und dass sie einen wesentlichen Anteil der tierbasierten toxikologischen Untersuchungen ersetzen kann. Organoide tragen zudem dazu bei, besser verstehen zu können, wie Arzneimittelwirkstoffe von Gewebe aufgenommen und abgebaut werden. „Angespornt durch die TOXANOID-Ergebnisse arbeiten wir derzeit an einem weiteren EFR-Projekt, ORGANOID, das unsere gezüchteten Miniguts einen Schritt weiter bringen soll“, erklärt Dr. Gehart. Dieses Projekt zielt darauf ab, die Auswirkungen des Mikrobioms und Immunsystems auf den Darm zu bestimmen, indem die jeweiligen Interaktionen in gesundem und krankem Gewebe anatomiert werden. Letztlich planen die Forscher, sich auf Wirkstoffe zu fokussieren, die durch konventionelle toxikologische Prüfungen in der Vergangenheit falsch identifiziert wurden und für ihre Technologie für die Arzneimittelentwicklung zu werben. Zu diesem Zwecken arbeiten sie eng mit industriellen Partnern zusammen, die organoide Anwendungen auf seltene genetische Erkrankungen wie z. B. die zystische Fibrose und auf die personalisierte Medizin ausweiten möchten.
Schlüsselbegriffe
TOXANOID, Organoide, Stammzellen, Wirkstoff-Screening