Insekten als künftige Biosensoren?
Dr. Vincenzo Di Ilio induzierte Suchtverhalten bei einer spezifischen Kakerlakenart und wurde dabei durch ein Marie-Skłodowska-Curie-Stipendium gefördert. Wird diese Sucht direkt mit einem bestimmten Geruch assoziiert, könnten solche Insekten künftig als lebende Biosensoren verschiedenste nützliche Aufgaben übernehmen. "Den Anstoß für das Projekt gab ein Problem, das weltweit großes menschliches Leid und wirtschaftliche Not verursacht - im Boden verbliebene Landminen", erklärt Di Ilio. "Nach Kriegsende bleiben die kleinen Plastikgeräte in der Erde liegen und führen neben oft tödlichen Unfällen auch dazu, dass Ackerland brach liegt. Die Minen aufzuspüren und zu entschärfen ist gefährlich, schwierig und kostenintensiv. " Die Minen werden bereits bei etwas mehr als 300 g Druck aktiviert, sodass auch keine Hunde die Landminen erschnüffeln können. Di Ilios untersuchte nun, ob sich Insekten, die markiert und auf die Sprengstoffe "angesetzt" werden, zum Aufspüren eignen. Damit könnten Sprengstoffexperten Landminen genau lokalisieren und mit Hilfe von Minenrobotern entschärfen. Insekten als Biosensoren Doch Di Ilio zufolge könnte es noch Jahre dauern, bis dies gelingt, und so sollte das Projekt ACTING (Addiction of Insects for Biosensoring) zunächst herausfinden, wie Insekten dazu gebracht werden können, einen spezifischen Geruch zu erkennen. Die erste Aufgabe war die Suche nach einem idealen Kandidaten. "Nicht alle Insekten haben die gleichen Geruchssysteme", sagt er. "Unsere Wahl fiel auf die deutsche Kakerlake, weil sie ein breites Spektrum flüchtiger chemischer Substanzen wahrnehmen kann und sich damit gut für die Sprengstoffsuche eignet." Die nächste Herausforderung war, das Tier auf einen einzelnen spezifischen Geruch zu fixieren. Allerdings steht bei Kakerlaken, obwohl sie sehr gefräßig sind, Plastiksprengstoff eher nicht auf dem Speiseplan. "Ich wollte also die Umgebungswahrnehmung des Insekts durch ein Suchtmittel verändern", erklärt Di Ilio. "Bei den Insekten sollte Suchtverhalten induziert und die Droge an einen bestimmten Geruch gekoppelt werden, was das wichtigste Ziel meiner Forschungen war." Da Lizenzen für Medikamente wie Morphium und Heroin jedoch schwer zu beschaffen sind, verabreichte Di Ilio den Kakerlaken bei seinen Versuchen zunächst winzige Dosen Nikotin. Offenbar reagieren Kakerlaken empfindlicher auf Zigarettenrauch als auf Nikotinextrakt, und bald zeigten sich erste Hinweise auf Suchtverhalten. "Ich bereite gerade einen Forschungsbericht vor, der demnächst erscheinen wird", sagt Di Ilio. "Gegen Ende meines Marie-Curie-Stipendiums bekam ich dann doch noch eine Lizenz für Versuche mit Methadon und Heroin bei Kakerlaken, und bei den ersten Tests war das Suchtverhalten ganz deutlich: eine äußerst spannende Sache. An diesem Punkt werden wir nun weiterarbeiten. Enormes Potenzial Mit weiteren Fördermitteln will Di Ilio künftig herausfinden, wie induziertes Suchtverhalten optimal angewandt und entsprechend gesteuert werden kann. Aus wissenschaftlicher Sicht könnte die Frühphasenforschung von ACTING neue Möglichkeiten eröffnen, Drogenabhängigkeit und damit einhergehende Verhaltensänderungen genauer zu erforschen, oder auch Aufschluss über die Umgebungswahrnehmung bei Insekten liefern. "Die Ergebnisse sind bislang vorläufig und müssen noch verifiziert werden, um unsere Hypothese zu bestätigen, aber das Potenzial ist hier sicher enorm", sagt er. "So könnte das Suchtverhalten bei Insekten mit deren Fähigkeit kombiniert werden, kleinste Geruchsveränderungen im Blut wahrzunehmen, um etwa die Frühdiagnose von Krankheiten wie Tuberkulose zu verbessern. Auch Obstbauern hätten bestimmt großes Interesse, bakterielle Infektionskrankheiten frühestmöglich zu erkennen. Insekten als Biosensoren würden sich für eine ganze Reihe von Aufgaben eignen."
Schlüsselbegriffe
ACTING, Insekten, Suchtverhalten, Marie Curie, Tuberkulose, Blut, Landminen, Diagnosen, Methadon, Heroin, Kakerlake