Die Auswirkungen des schwindenden Meereises auf die Seevögel der Arktis
Die Erderwärmung könnte die Quecksilberkonzentration (Hg) in marinen Nahrungsnetzen der Arktis erhöhen, da innerhalb des Meereises, des Permafrosts und der Gletscher enthaltene Schadstoffe freigesetzt werden. Zu weiteren Quellen zählen die Eröffnung von Seewegen und die Entwicklung der Industrie in der arktischen Region wie auch Modifikationen der Schadstoffchemie aufgrund sich verändernder Bedingungen. Das EU-finanzierte Projekt ARCTOX (Sea-ice shrinking and increasing human activities in the Arctic: What risks for the avian biodiversity?) wurde eingerichtet, um die Auswirkungen von Schadstoffen auf die Seevögel der Region zu beobachten und um ein internationales Netzwerk für die Untersuchung der Kontamination bei Seevögeln und marinen Nahrungsnetzen in einem sehr großen, panarktischen Maßstab ins Leben zu rufen. Forscher des CNRS und der Universität La Rochelle (Frankreich) untersuchten die langfristigen und saisonalen Hg-Variationen in Organismen und das Ausmaß, in dem wandernde Seevögel während der Winterzeit, in der sie sich fernab der Arktis aufhalten, kontaminiert werden. Die Auswirkungen von Hg auf die Reproduktion und das Überleben von Seevögeln wurden ebenfalls untersucht. Bedrohte Seevogelpopulationen „Wissenschaftler zeigten, dass Hg, ein starkes Nervengift, bei überwinternden Vögeln ein wichtiger Stressfaktor sein könnte“, erklärt Dr. Jérôme Fort, der wissenschaftliche Koordinator von ARCTOX. „Es könnte bei der massiven Seevogelmortalität zwischen Februar und März 2014, als 43 000 aus der Subarktis und Nordeuropa stammende tote Seevögel entlang der französischen Atlantikküste gefunden worden waren, eine Rolle gespielt haben. Gestrandete, ausgemergelte Seevögel zeigten eine Hg-Konzentration, die über einem Niveau lag, das mit subletalen Auswirkungen auf die Nieren assoziiert wird, was wiederum toxische Hg-Effekte nahelegt.“ Hg kann ebenfalls als endokriner Disruptor wirken, der sich auf die Reproduktionsfähigkeit von Seevögeln auswirkt. Über die Fokussierung auf eine Brutpopulation kleiner Alkenvögel (Alle alle) in Ostgrönland wurde im Rahmen von ARCTOX festgestellt, dass die Exposition von Weibchen gegenüber Hg vor der Brutsaison mit kleineren Eiern und einer reduzierten Körpermasse bei Küken in Verbindung stand. Dies könnte sich möglicherweise langfristig negativ auswirken und einen Rückgang der Populationszahl verursachen. Daher wurde ein internationales Beprobungsnetz eingerichtet, um groß angelegte Studien durchzuführen und ein umfassenderes Verständnis über den Ursprung und die Auswirkungen einer Hg-Kontamination in der Arktis zu erlangen. Dies ermöglichte den Wissenschaftlern eine übergreifende Kartierung der Hg-Konzentration in marinen Ökosystemen der Arktis sowie die Identifizierung von Hg-Kontaminations-Hotspots, die besonderer Aufmerksamkeit und spezifischen Schutzes bedürfen. „Dieses Netzwerk kann in Zukunft zur Untersuchung weiterer Schadstoffe von Interesse und zur Beobachtung langfristiger Veränderungen in der Kontamination von arktischen Seevögeln und marinen Nahrungsnetzen im arktischen Maßstab genutzt werden. Ein solcher Ansatz wird Entscheidungsträgern ein umfassenderes Bild über die Hg-Entwicklung in der Arktis und dem damit verbundenen toxischen Risiko geben“, sagt Dr. Jérôme Fort. Langfristige Auswirkungen auf die Arktis Durch die Bereitstellung neuer Erkenntnisse über die langfristigen Hg-Trends in verschiedenen marinen Systemen der Arktis zeigte ARCTOX, dass die Hg-Konzentration in manchen arktischen Regionen weiterhin ansteigt und dass über Abschwächungsstrategien gesprochen werden muss, um diese Trends zu verstehen und um zu wissen, wie diese umgekehrt werden können. Darüber hinaus liefert die Projektforschung neue Erkenntnisse über die Risiken, denen die Seevögel der Arktis gegenüberstehen. So wurde enthüllt, dass diese über das ganze Jahr hinweg sowohl innerhalb als auch außerhalb der arktischen Region Umweltverschmutzung ausgesetzt sind. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit konzertierten internationalen Handelns zur erfolgreichen Bewältigung der Bedrohung, die sich in Form von Umweltverschmutzung für die Tierwelt der Arktis darstellt. Professor Paco Bustamante, der Projektkoordinator von ARCTOX, reflektiert über die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt bei einem Rückgang der Seevogelpopulationen: „Sie spielen eine große Rolle für die marinen Nahrungsnetze der Arktis, insbesondere was den Transfer von organischer Materie und Nährstoffen in ihren Ökosystemen anbelangt.“ Professor Bustamante fügt hinzu: „Seevögel sind in der Arktis außerdem weit, zirkumpolar verteilt. Ein Rückgang der Seevogelpopulationen könnte sich somit auf die Struktur, Dynamik und Funktionsweise des gesamten marinen Nahrungsnetzes auswirken.“
Schlüsselbegriffe
Meereis, Arktis, Seevögel, Biodiversität, marine Ökosysteme, Quecksilber, ARCTOX