Ernährungssicherheit durch neue Erkenntnisse zur Entwicklung und Anpassungsfähigkeit von Nutzpflanzen
Die Bandbreite verschiedener Wachstumsbedingungen für Pflanzen ist in Europa sehr groß. Darum müssen sich Nutzpflanzensorten ständig an neue Schädlinge und Krankheiten anpassen, aber auch an wechselnde Wettermuster und Markterfordernisse. Global gesehen gefährden die schnell wachsende Bevölkerung sowie der Klimawandel die Ernährungssicherheit. Das von der EU geförderte Projekt WHEALBI wurde ins Leben gerufen, um die Erzeugung von Weizen und Gerste zu verbessern und neue Sorten sowie und innovative Anbausysteme einzuführen. Das Projekt vereinte Genomik, Genetik und Agrarwissenschaft. Dafür wurden Daten aus den exprimierten Genomsequenzen von mehr als 1 000 genetischen Linien von Weizen und Gerste zusammengetragen, die für Zuchtprogramme und den Pflanzenanbau genutzt werden können. Bewertung von Kulturvielfalt und Zuchtlinien Da jede Pflanze tausende Gene enthält und Züchtende normalerweise verschiedene Eigenschaften in einer Pflanze vereinen wollen, ist die Entwicklung von erfolgreichen Sorten komplex, kostenintensiv und zeitaufwendig. Außerdem versuchen Züchtende oft, die Bedürfnisse der Landwirte, Verbraucher und der Umwelt für Jahre im Voraus vorherzusehen. Biobanken, sogenannte „Keimplasmabanken“ vereinfachen diesen Prozess. Sie fungieren als Samenbanken, deren Sammlungen nach den Regeln der Rückverfolgbarkeit angebaut wurden und in denen die Samen für mindestens zehn Jahre gelagert werden, bevor sie verteilt werden. Wird diese Artenvielfalt mit Genomsequenzierung der nächsten Generation kombiniert, werden Charakterisierungen in beispielloser Detailgenauigkeit möglich – ein immens nützliches Hilfsmittel für Züchtende. Das WHEALBI Keimplasma wurde sowohl im Feld (in einer Gärtnerei) charakterisiert, in einem Netzwerk von Schottland bis Israel (d. h. in einer Vielzahl verschiedener klimatischer Bedingungen) als auch mit Plattformen zur Phänotypisierung, um das gesamte Genom auf bestimmte Eigenschaften hin zu untersuchen. Hierbei wurden Signaturen adaptiver Selektion erforscht und Allele von Kandidatengenen identifiziert, die im Zusammenhang mit bestimmten Phänotypen neue Variationen zeigten. „Wir haben über die ausgewählten 1 024 Sorten so viele Daten wie möglich gesammelt und dabei besonders Informationen über adaptive Eigenschaften, die die Pflanzen beispielsweise tolerant gegenüber Krankheit, Frost oder Trockenheit machten“, so Projektkoordinator Gilles Charmet. Die Agrarwissenschaftler testeten zum Abschluss der genetischen Studien eine Untergruppe der Sorten (aus der gesamten beobachteten Vielfalt) in verschiedenen Anbausystemen, einschließlich Nullbodenbearbeitung (konservierende Landwirtschaft) und Biolandbau. Daraus entstand eine – öffentlich verfügbare – Sammlung von georeferenzierten Inzuchtlinien der Sammlungsmuster (Pflanzenmaterial, das zum selben Zeitpunkt gesammelt wurde) von Weizen und Gerste, die einen einzigartigen Einblick in die Lebensgeschichte, Eigenschaften und phänotypischen Daten dieser Nutzpflanzen ermöglicht. Aus WHEALBI sind außerdem Sequenzierungsdaten des Exoms (der kodierende Teil des Genoms) für diejenigen Gerste- und Weizensorten entstanden, die repräsentativ für die globale Vielfalt sind. Dabei standen vor allem Wintersorten im Mittelpunkt, die sich an die europäischen Anbaubedingungen angepasst haben. Eine zweite grüne Revolution? Im Projekt wurden neue Anbausysteme identifiziert sowie ihr wirtschaftlicher Einfluss für landwirtschaftliche Betriebe und auf EU-Ebene bewertet. Dadurch könnte sich die Landwirtschaft stärker wettbewerbsorientiert ausrichten, sodass größere Ernteerträge und Exporteinnahmen, aber auch Kosteneinsparungen und ein erweiterter Prozesswirkungsrad möglich wären. Durch den Einsatz ertragreicherer und gegen Klima und Krankheiten widerstandsfähigerer Nutzpflanzensorten sinkt die Belastung der natürlichen Ressourcen. Pflanzenzucht könnte somit zu einer sichereren Lebensmittelkette beitragen und gleichzeitig die Umwelt (durch weniger Pestizide) und die Artenvielfalt fördern. Diese Innovationen verbessern nicht nur die Qualität, den Geschmack, die Nützlichkeit und Saisonalität von Lebensmitteln, sondern bieten in neuen Nutzpflanzensorten auch Vorteile für die Gesundheit, zum Beispiel bei Hafer mit einem höheren Anteil an Antioxidanzien. Der Großteil der WHEALBI-Sammlung ist über ein eigenes Portal frei zugänglich. „Hier können Wissenschaftler und Züchtende Samen für ihre eigenen Experimente anfordern und sie dann für die Forschung oder auch in der praktischen Züchtung nutzen“, so Charmet.
Schlüsselbegriffe
WHEALBI, Nutzpflanzen, Anpassung, Ernährungssicherheit, Weizen, Gerste, Genom, Biobanken, Samenbank, Klimawandel, Bevölkerung