Neuronale Antwort auf Klangfolgen bei Vogelgesang
Vögel sind besonders geschickt im Erkennen syntaktischer Muster. Das EU-finanzierte Projekt SYNTAX (Neurophysiology of birdsong syntax perception) verglich daher potenzielle Ähnlichkeiten der neuronalen Verarbeitung von Syntax bei Vögeln und Menschen. Mit einem Array aus 64 intrazerebralen Elektroden wurde die elektrische Aktivität von Neuronenpopulationen in auditiven und tonproduzierenden Kernen im Gehirn gemessen, während diese mit künstlichen liedähnlichen Sequenzen stimuliert wurden. Der für die Studie verwendete Zebrafink ist ein gut beschriebenes Tiermodell für sprech- und sprachbezogene neuronale Mechanismen. Um das Experiment durchführen zu können, wurde das Anästhetikum Isofluran eingesetzt. Es versetzte das Tier in einen schlafähnlichen Zustand, in dem aber primäre und sekundäre Rindenfelder noch stimulusabhängig reagieren und komplexe Sequenzen wie natürlichen Gesang erkennen. Unerwartet wurden dabei spontane Wanderwellen sowohl bei der Aktivität von Einzelneuronen (Aktionspotential) wie auch neuronalen Populationen (Feldspannung) in den meisten Teilen des Vorderhirns innerhalb und außerhalb der akustischen Areale gemessen. Diese Aktivität wurde auch in der Großhirnrinde beobachtet. Dann untersuchte man, wie sich diese Aktivität im auditorischen Kortex nach Stimulation mit künstlichen Klangfolgen aus natürlichen Liedsilben verändert. Eines der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt war, dass bei den Zebrafinken eine gedächtnisbasierte stimulusspezifische Anpassung stattfand, aber auch Regeln erlernt wurden. Bislang wurde das Erlernen von Sequenzregeln, das Grundlage für das menschliche Erkennen von Syntax ist, nur in Verhaltensstudien an nichtmenschlichen Tieren untersucht, allerdings mit höchst widersprüchlichen Ergebnissen. SYNTAX identifizierte weiterhin neuronale Antwortmuster, die bei neuronalen Prozessen stattfinden, wenn künftige Klänge durch kurzfristiges Erlernen von Regeln vorhergesagt werden können. Diese Aktivität belegt somit die kurzfristige Vorhersagbarkeit der Silbenabfolge innerhalb einer Sequenz. Die Ergebnisse bieten neue Anwendungsmöglichkeiten für das Zebrafinkenmodell, u.a. als vergleichendes neuronales Modellsystem für das Erlernen syntaktischer Regeln. Sie könnten auch Aufschluss über Veränderungen der ausgelösten Reaktionen geben, wenn die erwartete Stimulussequenz abweicht (Mismatch-Negativität). Da das Phänomen mit einer Reihe kognitiver Funktionen und auch Störungen wie Dyslexie und psychiatrischen Erkrankungen assoziiert wurde, wird ein Tiermodell für das syntaktische Regellernen hier enorm von Bedeutung sein.
Schlüsselbegriffe
Tonsequenzen, Vogelgesang, Syntax, Regelerwerb, Neurophysiologie