Wenn Trägerraketen auspacken
Die Oberstufen von Trägerraketen sind normalerweise mit Sensoren ausgestattet, die den Ingenieuren theoretisch alle Informationen geben könnten, die sie über den Status der Trägerrakete und mögliche Schwachstellen wissen müssen. Doch aufgrund begrenzter bordeigener Rechenfähigkeiten und der benötigten Bandbreite, um die Informationen zur Erde zu senden, war es bisher unmöglich, die meisten dieser Daten zu erfassen. In diesem Kontext wurde das MaMMoTH-Up-Projekt (Massive Extended Modular Monitoring for Upper Stages) ins Leben gerufen. Das Projektkonsortium verfolgte das Ziel, in 42 Monaten den Umfang der überwachten Daten um mehr als das 2 500-fache zu erhöhen. Jan-Gerd Mess, Projektkoordinator im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, erörtert die Ergebnisse vor dem Projektende im August 2018. Warum ist es wichtig, mehr Daten von den Oberstufen der Trägerraketen zu sammeln? Eines unserer Hauptziele ist es, mehr Einblick in die Umgebung der Trägerraketen zu geben. Dies ist wichtig, um die Bedingungen, denen diese ausgesetzt sind, besser, aber vor allem auch die daraus resultierende mechanische Belastung, der das ganze System ausgesetzt ist, zu verstehen. Die erfassten Daten stammen von Thermo-, Druck-, Vibrations-, Schock- und Beschleunigungssensoren sowie Dehnungsmessstreifen. Sie werden zur Optimierung des Systems selbst beitragen und auch zukünftige Entwicklungen in Bezug auf Stabilität, Gewichtsreduzierung und Sicherheit ermöglichen. Dies ist besonders für neu eingeführte Materialien wie Kohlefaser wichtig, da wir ihr volles Potenzial nur dann ausschöpfen können, wenn wir ihr Verhalten unter Betriebsbedingungen vollständig verstehen. Was macht das Sammeln dieser Daten so schwierig? Die vorhandene Trägerraketen-Hardware und ihre Telemetriekette sind, obwohl sie sich bewährt haben und zuverlässig sind, hinsichtlich ihrer Rechenleistung und Bandbreite begrenzt. Aktualisierungen sind sehr teuer, da sie eine kostspielige und langwierige Neuqualifizierung der Trägerrakete sowie erhebliche Investitionen in die Bodeninfrastruktur erforderlich machen. Wie soll dieses Problem Ihrer Ansicht nach bewältigt werden und was macht Ihren Ansatz so innovativ? Bei unserem Ansatz wird ein modulares System eingeführt, das leicht angepasst und erweitert werden kann, um den spezifischen Anforderungen der Mission gerecht zu werden. Er ist minimal invasiv und minimiert gleichzeitig Risiken für die nominelle Mission der Trägerrakete. Indem kommerzielle Standardkomponenten (commercial-off-the-shelf, COTS) in einer geschützten Umgebung verwendet werden, kann die Rechenleistung der bordeigenen Hardware signifikant erhöht werden. Dies ermöglicht uns, intelligente Datenauswahl- und Komprimierungsalgorithmen einzuführen, die die Menge an nützlichen Informationen für die bestehende Telemetrieverbindung optimieren. Durch die Einführung weit verbreiteter serieller Schnittstellen wie RS422 und CAN-Bus stellen wir sicher, dass auch zukünftige Entwicklungen und Module (Kameras, drahtlose Sensoren usw.) das entwickelte System nutzen können. Hat der Demonstrator Ihre anfänglichen Erwartungen erfüllt? Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Demonstrator die notwendigen Qualifikationstests bestanden, um in Bezug auf Thermo-Vakuum, schnelle Druckentlastung und EMV auf einer ARIANE 5-Trägerrakete einsetzbar zu sein. Vibrationstests stehen noch aus. Sie werden allerdings in den nächsten Monaten, noch vor Projektende, durchgeführt. Aus funktionaler Sicht wurde das gesamte System montiert und Missionssimulationen wurden auf der Basis von ARIANE 5-Flugprofilen erfolgreich durchgeführt. Während die Datenselektion immer noch Gegenstand von Forschung und Umsetzung ist, sind Datenkompression sowie alle Mechanismen zur Sensordatenzuordnung und -übertragung vorhanden und wurden erfolgreich getestet. Wie weit werden Sie gehen können? Sind Sie bereits beim Demonstrationsflug angelangt? Ein Qualifikationsmodell ist jetzt problemlos integrierbar und durchläuft, genauso wie eine echte Flughardware, repräsentative Zulassungsprüfungen. Wir sind daher zuversichtlich, dass wir TRL 5/6 bis zum Ende des Projekts erreichen können. Welche Pläne haben Sie für eine Kommerzialisierung und welches sind Ihre Hauptverkaufsargumente gegenüber potenziellen Konkurrenten? Unseres Wissens gibt es derzeit kein anderes System, das die Fähigkeiten der Trägerrakete hinsichtlich der Datenerfassung modular erweitern kann und gleichzeitig eine erweiterbare Plattform zum Testen neuer Technologien in einer sicheren Umgebung während des Fluges einführt. Dies schafft einen völlig neuen Einsatzbereich für die Trägerrakete. Welche voraussichtlichen Pläne haben Sie? Wir planen, uns für weitere Finanzmittel von Horizont 2020 und der ESA im Rahmen einer Überprüfung und Demonstration im Orbit zu bewerben, um die Anwendbarkeit unseres Ansatzes zu beweisen. Zusätzlich könnte eine Anpassung an ARIANE 6 möglich sein, was nicht nur einen zukünftigen Flug, sondern auch die Anwendung des MaMMoTH-Up-Systems bei bodengestützten System- und Subsystemtests einschließt. Dies würde die Datenerfassungsfähigkeiten der Qualifizierungseinrichtungen erhöhen.
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