Fähigkeiten neuer Roboterklasse übertreffen die von aktuellen Maschinen und sogar die von biologischen Organismen
Roboter werden meist durch Sensoren und Aktoren gesteuert, die mit einem Prozessor verbunden sind – dies stellt ein robotisches Nervensystem dar. Normalerweise ist die Flexibilität eines solchen Systems begrenzt, da diese Nervensysteme strikt an die Form des Roboters angepasst sind. Die Entwicklung eines modularen Systems, dass stattdessen aus mehreren Einheiten besteht, würde zu einer besseren Anpassungsfähigkeit führen. Tatsächlich können sich Roboter prinzipiell besser morphologisch anpassen als natürliche Organismen, wobei sich Roboter mit verschiedenen Fähigkeiten, Formen und Größen wie erforderlich selbst konfigurieren. Einschränkungen hinsichtlich der vordefinierten Formen, die die Einheiten annehmen können, sowie der dezentralen Steuerung erschwerten die Koordinierung und Steuerung modularer Roboter, die bislang nur einige wenige vorprogrammierte Verhaltensweisen verfolgen konnten. Die Forscher hinter dem EU-finanzierten Projekt E-SWARM berichteten kürzlich, dass sie mit Erfolg ein modulares System entwickelten, das seine Anordnung anpassen kann, um autonom Formen und Größen anzunehmen, die zu der zu erfüllenden Aufgabe oder der Umgebung passen. Roboter mit Mergeable Nervous System (MNS) Die jüngst in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Studie führt an, dass die aktuellen modularen Roboter auf Basis von Steuerparadigmen funktionieren, die den biochemischen Prozessen ähneln, die bei einfachen natürlichen Organismen ablaufen, etwa beim einzelligen Schleimpilz, der die Zusammensetzung seines Körpers ändern kann. Genau wie ihren biologischen Vorbildern mangelt es ihnen jedoch an einem Nervensystem, das verschiedenartige Teile zu einem funktionierenden und adaptiven Ganzen zusammenfasst. Das bedeutet, dass sie zwar individuell autonom sein können, zur Koordination jedoch dezentrale Ansätze verfolgen müssen. Die E-SWARM-Wissenschaftler beschreiben, wie sie Roboter entwickelten, deren Rümpfe und Steuersysteme wenn erforderlich neue Robotersysteme bildeten und dabei unabhängig von Form und Größe volle sensimotorische Kontrolle bewahrten. In diesem MNS-Robotersystem, in dem die Einheiten über das Roboter-Nervensystem miteinander verbunden sind, wird die für das Treffen von Entscheidungen zuständige zentrale Einheit als „Gehirneinheit“ bezeichnet. Diese Roboter mit Mergeable Nervous System (MNS) konnten sich zusammenschließen, indem sie Einheiten mit unterschiedlichen Fähigkeiten in den eigenen Rumpf integrierten und so größere Verbünde mit einer zentralen Steuereinheit bildeten; sich in mehrere Rümpfe mit voneinander unabhängigen Gehirneinheiten aufteilen; und sich selbst reparieren, indem sie nicht funktionierende Teile (darunter auch eine Gehirneinheit) entfernten oder austauschten. Das Forschungsteam baute ein Experiment für zehn Robotereinheiten auf. Die Einheiten bildeten eine Reihe von MNS-Robotern verschiedener Form und Größe, die vorprogrammierte Verhaltensregeln befolgten. Die MNS-Roboter legten alle die gleiche koordinierte sensimotorische Reaktion auf einen Stimulus an den Tag: Sie zeigten mittels LED-Lampen die Position des Reizes auf und zogen sich von ihm zurück, wenn er ausreichend nahe kam. Wenn ein Verbund von Einheiten auf den Stimulus weist, leuchten nur die LEDs, die ihm am nächsten sind – unabhängig davon, zu welcher Robotereinheit sie gehören. Entwicklung der agilen Roboter der Zukunft Das Experiment umfasste zwar nur 10 Einheiten, die Studienautoren betonen jedoch, dass ihr System skalierbar sein soll, sowohl hinsichtlich der Rechenressourcen für die Robotersteuerung als auch in Bezug auf die Reaktionszeit auf Reize innerhalb des Systems. Mit Blick auf die Zukunft schätzen die Forscher, dass Roboter wahrscheinlich anpassbarer sein werden, sodass sie sich für wechselnde Anwendungsbereiche und nicht mehr nur für bestimmte Aufgaben eignen. Nun möchten sie dieses Konzept auf sich selbst rekonfigurierende modulare Roboter ausweiten und von der zweiten in die dritte Dimension springen, indem sie beispielsweise flexible Verbindungsstücke entwickeln. Den Forschern zufolge sollten sich die Millionen Jahre der Evolution, die in der Natur erforderlich waren, um Probleme dieser Art zu lösen, durch Fortschritte bei Prozessorleistung und Berechnungsverfahren ausgleichen lassen. Weitere Informationen: Projektwebsite
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Belgien