Virtuelle Titanprothesen
Metalle sind in der Prothetik beliebte Materialien. Um die gewünschten mechanischen Eigenschaften zu erreichen, müssen diese jedoch legiert und verarbeitet werden, was oft Probleme mit der Biokompatibilität zum Wirtsgewebe mit sich bringt. Hier bieten Nanomaterialien eine vielversprechende Alternative, indem sie Festigkeit, Biokompatibilität und einfache Bearbeitung vereinen. Die Forschungen zur Nanostrukturierung von Titan und seinen Legierungen stecken noch in den Kinderschuhen. Experimente mithilfe von Zellkulturen, mechanischen und in-vivo-Tests sind teuer, zeitaufwendig und erfordern umfangreiche Tierversuche. Indem man diese Methoden durch genaue Vorhersagemodelle ersetzt, könnte man die kosteneffiziente Entwicklung maßgeblich voranbringen. Die Wissenschaftler des EU-finanzierten Projekts VINAT entwickelten eine multiskalige virtuelle Modellierungsumgebung. Das Team integrierte mithilfe einer Vielzahl von fortschrittlichen Berechnungsmethoden Beschreibungen auf Atom-, Kristall- und Korn-/Mikrostruktur-Ebene. Die virtuelle Umgebung ermöglicht die Analyse von Eigenschaften, Festigkeit und Biokompatibilität von nanostrukturierten und ultrafeinkörnigen Materialien auf Titanbasis für medizinische Implantate. Die Forscher konzentrierten sich auf drei Arten von titanbasierten Materialien: reines Titan, Titan-Niobium-Legierungen und superelastische Titan-Nickel (Ti-Ni) -Legierungen mit Formgedächtnis. Formgedächtnislegierungen sind eine neue Klasse von Metallen, die sich an ihre Form "erinnern" können. Ti-Ni-Legierungen sind am vielversprechendsten, beispielsweise für Zahnwurzelkanäle und Kronen, während Nanotitanium für Implantate am besten geeignet zu sein scheint. Mittels einer Kombination aus Modellierungsverfahren und Experimenten entwickelten und testeten die Forscher ein neues hochfestes Implantat mit kleinem Durchmesser aus ultrafeinkörnigem Titan. Das 4 mm große Implantat trägt die gleiche Last wie ein älteres Modell mit 7 mm Durchmesser. Dies würde die Operation selbst an schwierigen Orten erleichtern und das Trauma für den Patienten minimieren. Die Wissenschaftler entwickelten auch einen neuen Verarbeitungsweg für die Materialherstellung. Die Ergebnisse von VINAT werden dank einer schnelleren Entwicklung von Prothesen auf Titanbasis voraussichtlich entscheidend zur Steigerung der Lebensqualität der alternden Bevölkerung in der EU beitragen. Die entwickelte Programmsuite zur Multiskalenmodellierung deckt bei der virtuellen Erprobung sowohl Mechanik als auch biologische Verträglichkeit ab und wird so die Notwendigkeit für in vitro- und in vivo-Tests minimieren. Dies wird wiederum die Wettbewerbsfähigkeit von Europas kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Bereich erhöhen.
Schlüsselbegriffe
Titan, Prothetik, Biokompatibilität, Nanomaterialien, virtuelle Umgebung