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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Technologien für geschickte Roboterhände

Ein EU-finanziertes Forscherteam hat die weltweit erste fünffingrige Roboterhand in menschlicher Größe entwickelt, die Greifen lernen und viele empfindliche und seltsam geformte Objekte manipulieren kann, wie es Menschen können.

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Bill Gates zufolge wird bald eine Zeit anbrechen, in der es in jeder Wohnung einen Roboter geben wird. Und es scheint durchaus so zu sein, dass wir uns am Anbeginn der Robotik befinden - überall tauchen intelligente und kognitive Systeme auf. Die Kamera und der Infrarotsensor an neue Videospielkonsolen lassen eine Zukunft ahnen, in der wir Geräte einfach durch Sprechen oder Handzeichen steuern werden. Es gibt sogar schon Staubsauger, die durchs ganze Haus navigieren und aufräumen, während die Bewohner arbeiten sind. Ein großes Problem, mit dessen Lösung die Robotikforschergemeinschaft zu kämpfen hat, ist das der Manipulation. "Wir sprechen hier nicht von Greifern", betont Professor Bruno Siciliano von der Università degli Studi di Napoli Federico II in Neapel, Italien. "Industrieroboter sind schon ziemlich gut darin, Dinge aufzuheben und sie wieder hinzulegen. Sollen aber Roboter wirklich demnächst neben den Menschen leben und arbeiten, dann müssen sie auch in der Lage sein, Gegenstände genau so zu handhaben, wie es der Mensch mit seinen Händen kann. Manipulieren ist eine komplizierte Aufgabe, die Roboter erst lernen müssen." Professor Siciliano leitete als Koordinator des Dexmart-Projekts (1) ein kollaboratives Team von Robotikforschern, die eine anthropomorphe Roboterhand mit fünf Fingern baute, die mit Eiern hantieren, eine Kreditkarte aufheben und umdrehen oder einen Stift von einer anderen Person entgegennehmen kann. "Die menschliche Hand war unser Vorbild", erklärt Professor Claudio Melchiorri von der University of Bologna, Italien, wo die Prototyp-Hand gebaut wurde, "da sie uns das ultimative Vorbild für geschicktes Manipulieren vorgibt." Ziel des Projekts war eine Hand, die ihrem menschlichen Äquivalent in Aussehen und Beweglichkeit so ähnlich wie möglich ist. Bisher konnte jedoch noch kein Robotiklabor Roboterhände in korrekter Menschengröße bauen. "Wir kamen dabei auf eine einfache, aber äußerst wirksame Idee: Über Schnüre, die von kleinen, schnell drehenden Elektromotoren verdrillt werden, können wir auf kleinstem Raum sehr hohe Zugkräfte erzeugen", sagt Mechatronikforscher Chris May von der Universität des Saarlandes in Deutschland. Die Roboterhand könne dadurch diverse Gegenstände ertasten, sie greifen und anheben und an anderer Stelle wieder behutsam ablegen. Diese neue Lösung wurde an der Dexmart-Hand am Beispiel von zerbrechlichen Ostereiern und einer schweren Glasflasche demonstriert. Die verdrillten Schnüre werden aus einem enorm belastbaren Polymer gefertigt und ermöglichen es der Prototyphand, eine Last von fünf Kilogramm in Sekundenschnelle um 30 Millimeter anzuheben. Dabei kommen kleine Elektromotoren zum Einsatz, die sich im Unterarm und nicht in den Gelenken befinden, was der Hand zu den passenden Abmessungen verhilft. "Jeder Roboterfinger, der wie beim Menschen in drei Glieder unterteilt ist, kann mit den einzelnen Seilzügen sehr feinfühlig gesteuert werden", beschreibt Forscher Gianluca Palli vom Team aus Bologna. "Die Roboterhand ist dadurch so nah an den menschlichen Fähigkeiten, dass die Vorstellung, sie als persönlichen Assistenten im Haushalt, im Operationssaal oder auch bei industriellen Anwendungen einzusetzen, immer realistischer erscheint. Wir gehen überdies davon aus, dass diese Verknüpfung von Miniaturmotoren mit verdrillten Schnüren auch für andere Anwendungen interessant sind." Ein Hirn für die Hand Diese Hand verfügt tatsächlich über ein Gehirn. "Eines der Ziele der Robotik, speziell für gesellschaftstaugliche Begleit- und Hilfsroboter ist deren Fähigkeit, eigenständig zu agieren", sagt Professor Siciliano. "Roboter müssen auf auf bestimmten Situationen angemessen und auf nicht vorprogrammierte Weise reagieren. Sie sollten über eine Handlung entscheiden und außerdem eine Grundstrategie zur deren Ausführung erarbeiten." Aber wie kann man Roboter am besten mit dieser kognitiven Leistung ausstatten? Professor Siciliano geht davon aus, dass Roboter genau wie Menschen durch Beobachtung lernen müssen. Eine Arbeitsgruppe von Forschern der Universität Karlsruhe, Deutschland, der Università degli Studi di Napoli Federico II Neapel, Italien, und des Technologieunternehmens OMG, Vereinigtes Königreich, setzte moderne Bildverarbeitungstechnologie, um die feinen Details der Bewegungen der menschlichen Hand zu untersuchen. Die Wissenschaftler klebten visuelle Marker auf einen speziellen Sensorhandschuh einer Testperson, die verschiedene Manipulationsaufgaben ausführte, die auf Video aufgenommen wurden. Mit Bildverarbeitungsalgorithmen konnten die Bewegungen auf jedem Marker nachverfolgt und diese Daten genutzt werden, um Regeln aufzustellen, wie die Roboterhand ähnliche Objekte handhaben und manipulieren sollte. Für komplizierte Robotermanipulationen haben effiziente, sichere und adaptive Kontrollmechanismen wesentliche Bedeutung. Der Versuch der Koordination der Bewegungen von fünf Fingern mit jeweils vier Gelenken stellt eine unglaubliche Herausforderung dar. "Betrachtet man jedes Gelenk und was jeder Motor einzeln tun müsste, bekommt man es mit 20 Freiheitsgraden zu tun und das ist schlicht zu komplex", erklärt Professor Siciliano. Seine Arbeitsgruppe an der Universität Neapel ließ sich von der Biologie inspirieren, um das Problem zu vereinfachen. "Die Erforschung von Steuerung und Koordination der menschlichen Hand hat ergeben, dass wir nicht jedes Gelenk einzeln ansteuern müssen; auch unser Gehirn beherrscht auf eine koordinierten Weise alle Gelenke gleichzeitig. Neurowissenschaftler konnten beweisen, dass die Stellungen und Bewegungen der Hände des Menschen eigentlich auf nur drei sogenannte "posturale Synergien" vereinfacht werden können. Mit diesen drei Synergien kann man etwa 80% aller möglichen Greifbewegungen und Handhaltungen beschreiben", erklärt Forscherin Fanny Ficuciello aus der neapolitanischen Arbeitsgruppe. Das Team aus Neapel entwickelte eine Steuerung, die Eingaben von den optoelektronischen Sensoren an der Hand (welche die Druckausübung beim Zugreifen messen) erhält, die Synergien realisiert und die Fingerbewegungen ausführt. Der Zugreifgenauigkeit, welche diese drei Synergien erzeugen können, ist recht bemerkenswert und erlaubt äußerst präzise Manipulationen. Die optoelektronischen Sensoren stellen eine weitere wichtige Innovation dar, welche die Dexmart-Partner in ihre Hand integrieren konnten. Es wurden mehrere Sensoren entwickelt, die Gelenkwinkel, Sehnenkräfte und taktile Interaktionen mit Objekten messen können. Bei dem Tastsensor ermöglichte moderne computergestützte Analyse der erfassten Lichtintensität innerhalb etlicher sensitiver Elemente, eine Berechnung der durch die Finger auf das Objekt ausgeübten Kräfte und außerdem, ob das Objekt aus den zugreifenden Fingern herausrutscht. Die Professoren Giuseppe De Maria und Ciro Natale haben zusammen mit dem Forscher Salvatore Pirozzi von Università degli Studi di Napoli Federico II, der den Sensor entwickelte, ein europäisches Patent auf die Technologie eingereicht. "Der Erfolg der Dexmart-Hand beruht auf der Zusammenführung all dieser neuartigen Technologien und Konzepte: Sensoren, Aktuatoren, Steuerungs- und Lernmechanismen", betont Professor Siciliano. "Unsere Demohand konnte ihre Fähigkeiten beweisen und wir erhalten nun Anfragen und Aufmerksamkeit von Forschergruppen aus vielen Ländern. Trotz all dieser neuen Technologien sind die Kosten für eine dieser Hände deutlich geringer als alles, was man derzeit sonst kaufen kann, und dieses Produkt wäre außerdem viel ungeschickter." Ein Prototyp der Hand und zwei vollständig mit Sensoren augestattete Finger funktionierten im Dezember letzten Jahres auf der RobotVille vier Tage lang fehlerfrei. Hand und Finger konnten mit Erfolg viele verschiedene Objekten aus den Händen der Besucher nehmen. Das Konsortium wird nun die Wirtschaftlichkeit der Fertigung voll funktionsfähiger Hände erkunden, die zunächst der akademischen Gemeinschaft zu Zwecken von Robotik-Studien zur Verfügung stehen werden. Das Dexmart-Projekt erhielt 6,3 Mio. EUR des Gesamtprojektbudgets in Höhe von 8,1 Mio. EUR in Form vom Forschungsmitteln aus dem Spezifischen Programm IKT des Siebten EU-Rahmenprogramms (RP7). (1) "Dexterous and autonomous dual-arm/hand robotic manipulation with smart sensory-motor skills: A bridge from natural to artificial cognition". Nützliche Links: - Website "Dexterous and autonomous dual-arm/hand robotic manipulation with smart sensory-motor skills: A bridge from natural to artificial cognition" - Dexmart-Projekt-Factsheet auf CORDIS Weiterführende Videos: - http://wwwiaim.ira.uka.de/users/jaekel/share/Dexmart_FZI_Video.mov - http://www.dexmart.eu/fileadmin/dexmart/public_website/downloads/attentional-CNRS-UNINA_JAN-2012.mpg - http://www.dexmart.eu/fileadmin/dexmart/public_website/downloads/BeerRobot.wmv - http://www.dexmart.eu/fileadmin/dexmart/public_website/downloads/tactile_new.wmv - http://wpage.unina.it/lvillani/ftp/Dexmart/video_unibo_unina.mp4 - http://www.dexmart.eu/fileadmin/dexmart/public_website/downloads/00013-HandsUp.MTS Weiterführende Artikel: - Feature Stories - Inspirierende Herausforderung - Roboter in der Zukunft