Adaptive Neurotechnologie soll Körper- und Gehirnfunktionen wiederherstellen
Mit Gehirn/Neural-Computer-Schnittstellen (B/NMI) wird Hirnaktivität in Signale umgewandelt, sodass Nutzende externe Geräte mit Gedanken steuern können. Diese Geräte sind für Menschen mit Erkrankungen wie Lähmungen, Schlaganfällen oder Demenz hilfreich – die Bewegung, Kommunikation und/oder kognitive Funktion wird wiederhergestellt. Den nicht-invasiven B/NMI, für die keine Hirnimplantate notwendig sind, mangelt es derzeit durch die begrenzte Signalqualität an der erforderlichen Vielseitigkeit. „Meist wird die Hirnaktivität auch nur ausgelesen, und nicht direkt eingeschrieben oder moduliert, weil die Simulation die Aufzeichnung der Hirnsignale stört. Diese Funktion ist entscheidend, um Sinneseindrücke für Lernen und präzise Steuerung von Neuroprothesen wiederherzustellen oder zu ergänzen“, erklärt Surjo Soekadar, Projektkoordinator von NGBMI, das über den Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziert wurde. Um diese Eingrenzungen zu überwinden, hat das NGBMI-Team B/NMI mit transkranieller Magnetstimulation (TMS) und transkranieller Elektrostimulation (TES) kombiniert.
Adaptive Stimulation auf der Grundlage der Gehirnaktivität
Die Grundlage für NGBMI wurde in der vorherigen Arbeit von Soekadar und seinem Team gelegt, bei der erstmals nachgewiesen wurde, dass Gehirnschwingungen mit TES erfasst werden können. Dafür wurde ein über B/NMI gesteuertes Hand-Exoskelett für eine Person mit Quadriplegie entwickelt, um die Mobilität für alltägliche Aktivitäten wiederherzustellen. Das NGBMI-Team hat erfolgreich ein mobiles System entwickeln, bei dem B/NMI mit TES integriert wird. So ist eine adaptive Stimulation je nach Gehirnaktivität möglich. Das System besteht aus einer Elektrodenkappe und einem drahtlosen Signalverstärker, der mit einem Tablet vernetzt ist, auf dem eine Software zur Signalverarbeitung in Echtzeit läuft, die wiederum externe Geräte wie Exoskelette oder Roboter steuert und gleichzeitig die TES an die laufende Hirnaktivität anpasst. Das System wurde zunächst an gesunden Personen getestet und dann auf Menschen mit neuropsychiatrischen und neurologischen Erkrankungen wie Depressionen, Demenz oder einem Schlaganfall übertragen. Im Fokus stand konkret eine gestörte motorische oder kognitive Funktion. „Wir haben die selektive Verstärkung oder Unterdrückung von bestimmten Hirnoszillationen gezeigt, um so damit verbundene Verhaltensweisen, Symptome oder Funktionen wie das Arbeitsgedächtnis zu modulieren“, sagt Soekadar von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das Team hat beispielsweise selektiv die fronto-parietale Alpha-Oszillation gestärkt, um die Fähigkeit zu verbessern, sich Bilder zu merken. So könnten potenziell neurodegenerative Krankheiten wie die Alzheimer-Krankheit behandelt werden. Herkömmliche TMS und TES bieten nur eingeschränkte räumliche Genauigkeit und Eindringtiefe, also wurde auch ein neues Stimulationsprinzip entwickelt, die temporale Interferenz-Magnetstimulation (TIMS). Dank eines ERC Proof of Concept Zuschusses und der Unterstützung über das Programm SPARK BIH wurde ein Patent für das System angemeldet. Aktuell wird es für eemagine Medical Imaging Solutions und ANT Neuro lizenziert, zwei führenden Neurotech-Unternehmen in der EU mit globaler Reichweite.
Bessere Technologie für bessere klinische Ergebnisse
Der Einsatz von Technologie bei NGBMI, um Körper- und Gehirnfunktionen wiederherzustellen und Menschen so zu befähigen, steht im Einklang mit der EU-Politik zu digitaler Gesundheit, assistiver Technologie und Neurorehabilitation. Zu den möglichen Anwendungen gehört die häusliche Neuromodulation bei Depression, kognitive Verbesserung bei Demenz und Neurorehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen, um die Lebensqualität anzuheben und die Gesundheitskosten zu senken. „Als Psychiater war mein Ziel, einen nicht-invasiven Ansatz zu entwickelt, das mit der Zeit überflüssig wird, weil das zentrale Nervensystem ‚trainiert‘ wird“, fährt Soekadar fort. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass mit neurotechnologischen Maßnahmen zwar Symptome moduliert werden können, die Ursache der Störungen aber nicht behoben wird.“ Derzeit bereitet das Team groß angelegte klinische Studien vor und arbeitet gleichzeitig an der behördlichen Zulassung der TIMS und der Kommerzialisierung des Gehirn-/Neural-Exoskeletts zur Schlaganfallrehabilitation. Als nächstes soll der TIMS-Ansatz in Quantensensoren integriert werden, um eine bidirektionale Quanten-Hirn-Computer-Schnittstelle zu erstellen. Quantensensoren geben genauere Aufzeichnungen der Hirnaktivität ab, sodass auch eine genauere neuronale Entschlüsselung und gezieltere Neuromodulation möglich wäre, was die Neurorehabilitation, Kognition und Unterstützung verbessern würde. Das Team untersucht auch eine KI-gestützte Optimierung, um die langfristige Wirkung der fortschrittlichen Neuromodulation zu verbessern.
Schlüsselbegriffe
NGBMI, Neurotech, Gehirn, neuronal, Schnittstelle, Demenz, assistive Technologie, Quanten, psychische Gesundheit, Mobilität