Intelligente Arzneimittelforschung mit hybriden neuronalen Rechnern
Der Weg von der Forschung an einem neuen Arzneimittel bis zu seiner Zulassung ist lang und kostspielig und erfordert oft Jahre der Forschung, der klinischen Versuche und der behördlichen Prüfung. Durch technologische Fortschritte wie künstliche Intelligenz und Hochdurchsatz-Screening entwickelt sich der Prozess der Arzneimittelforschung immer weiter. Es besteht jedoch nach wie vor ein Bedarf an verbesserten funktionellen Screening-Verfahren. In vitro gezüchtete Zellen bieten zwar wichtige Informationen über die funktionellen Auswirkungen eines Wirkstoffs, können aber nicht die Zell-Zell-Interaktionen von nativem Gewebe rekonstruieren. Besonders problematisch ist das für die Modellierung von Gehirnerkrankungen, bei denen den kultivierten Neuronen die natürlichen synaptischen Verbindungen fehlen, die für die Aktivität des neuronalen Netzes verantwortlich sind.
Hybride neuronale Rechner
Ziel des EU-finanzierten Projekts NEUREKA ist es, diese Herausforderungen zu meistert und ein biophysikalisches Modell zu erstellen, das die neuronale Konnektivität in vitro reproduziert. Das Hauptziel bestand darin, die Art und Weise, wie wir potenzielle Arzneimittelkandidaten, insbesondere für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson, untersuchen und bestimmen, drastisch zu verbessern. „Unser hybrides System bietet das Beste aus beiden Welten: Es verbindet biologische Neuronen auf einem Chip mit simulierten Netzwerken und unterstützt so eine Echtzeitkommunikation zwischen lebenden neuronalen Geweben und künstlichen Rechensystemen“, kommentiert Projektkoordinatorin Yiota Poirazi. Die NEUREKA-Plattform setzt sich aus drei Elementen zusammen: einem Mikro- oder Nanoelektroden-Array, einer Neuronenkultur, die auf dem Mikroelektroden-Array wächst, und einem numerischen Netzwerkmodell, das die Defizite der Alzheimer-Krankheit zeigt (AlzModel). Das AlzModel stimuliert das Mikroelektroden-Array, um ausgewählte Aktivitätszustände in den kultivierten Neuronen zu steuern. Diese Aktivität wird dann wieder in das AlzModel eingespeist, woraus eine hybride Population rechnerischer und biologischer Neuronen entsteht.
Biophysikalisches Modell der Alzheimer-Krankheit für die Arzneimittelprüfung
Chemische Verbindungen können der NEUREKA-Plattform hinzugefügt werden, um ihre Auswirkungen auf die Aktivität und das molekulare Profil der kultivierten Neuronen zu bewerten, mit dem Ziel, krankheitsbedingte Defizite zu beheben. Die biologischen Neuronen fungieren als „Biosensoren“, die auf diese Verbindungen reagieren und diese Informationen an den Rechner weiterleiten, der die Daten verarbeitet. „Die wichtigste Errungenschaft war die Fähigkeit, krankheitsrelevante Aktivitätszustände in den kultivierten Neuronen zu induzieren. Unseres Wissens nach kann keine der bestehenden In-vitro-Technologien eine derart realistische Umgebung für die Arzneimittelprüfung bieten“, betont Poirazi. Erste Experimente mit bekannten Alzheimer-Medikamenten wie Memantin und Valproinsäure deuteten vielversprechende Ergebnisse an und ebneten den Weg für die Nutzung großer Wirkstoff-Bibliotheken, um die Wirksamkeit der Plattform bei der Arzneimittelprüfung weiter zu validieren.
Auswirkungen auf die Arzneimittelforschung und andere Bereiche
Der hybride neuronale Rechner von NEUREKA stellt eine kühne neue Richtung auf dem Gebiet der Arzneimittelforschung dar. Die Plattform ist einzigartig in ihrer Fähigkeit, die neuronale Konnektivität und Aktivität von kultivierten Neuronen unter realistischeren Krankheitsbedingungen wirksam zu steuern, zu modulieren und auszulesen. Als solches bietet sie ein aussagekräftigeres Modell für neuronales Gewebe als herkömmliche Zellkulturen. So könnten wirksamere Arzneimittel schneller auf den Markt kommen, insbesondere für neurodegenerative Erkrankungen, bei denen Behandlungsmöglichkeiten dringend benötigt werden. Zudem verfügt NEUREKA über das Potenzial, die personalisierte Medizin zu verändern. „Durch die Verwendung von patienteneigenen Neuronen im Testverfahren kann die Plattform dazu beitragen, die wirksamsten Behandlungen für Einzelpersonen auf der Grundlage ihrer einzigartigen biologischen Beschaffenheit zu ermitteln“, schließt Poirazi. Dieser personalisierte Ansatz könnte die Behandlung neurologischer Erkrankungen revolutionieren und sicherstellen, dass Betroffen eine auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Behandlung erhalten.
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