Entschlüsselung der Geheimnisse, die Wasser einzigartig machen
Wasser ist das am weitesten verbreitete, aber möglicherweise am wenigsten verstandene Material auf der Erde. Das liegt daran, dass es sich ganz anders verhält als andere Flüssigkeiten. In der Wissenschaft ist immer noch nicht ganz verstanden, warum dies der Fall ist. „Es gibt buchstäblich Dutzende von Anomalien“, erklärt der Koordinator des Projekts SOFTWATER John Russo von der Universität La Sapienza in Italien. „Eis hat zum Beispiel eine geringere Dichte als flüssiges Wasser, weshalb es schwimmt. Das ist das Gegenteil von den meisten anderen Flüssigkeiten.“
Erforschung der materiellen Eigenschaften des Wassers
Die Bedeutung von Wasser kann kaum überschätzt werden. Alle Lebensformen sind von ihm abhängig und es macht etwa die Hälfte des Volumens jeder lebenden biologischen Zelle aus. Es ist auch ein entscheidendes Element in Produktionsprozessen und spielt eine zentrale Rolle für das Klimasystem unseres Planeten. Das Verständnis darüber, wo genau die Materialeigenschaften von Wasser kodiert sind, könnte daher der Schlüssel zu einer ganzen Reihe von Fragen sein. Im ehrgeizigen Projekt SOFTWATER, das vom Europäischen Forschungsrat unterstützt wurde, wurde mithilfe von Computertechniken versucht, die Geheimnisse des Wassers zu entschlüsseln. Dies geschah durch die Entwicklung von Computermodellen der tetraedrischen Wasserstoffbrückenbindungen von Wasser. Diese Modelle wurden nach und nach geändert, bis die anomalen Eigenschaften des Wassers verschwanden. „Die Idee war, dass wir dadurch herausfinden können, was Wasser so besonders macht und was wir ändern müssen, damit es sich wie andere Flüssigkeiten verhält“, sagt Russo. „Die Computertechnik eröffnete uns einen Weg, Verhaltensweisen zu entdecken, die normalerweise sehr schwer zu erfassen sind.“
Computergestützte Ansätze zum Verständnis des Materialverhaltens
Ein wesentlicher Erfolg des Projekts bestand darin, die Nützlichkeit rechnerischer Ansätze zum Verständnis des Materialverhaltens zu demonstrieren. Viele Forschende glauben, dass die Geheimnisse dessen, was Wasser zu „Wasser“ macht, in einem tiefkalten Zustand liegen könnten. Dies ist experimentell nur schwer zugänglich, ohne dass sich das Wasser verändert und Kristalle bildet. „Dieser Zustand wird von vielen Forschenden als Niemandsland bezeichnet, da er so schwer zugänglich ist“, so Russo. „Mit unserem rechnergestützten Ansatz haben wir ihn zugänglicher und einfacher zu untersuchen gemacht.“ Russo leistete auch Pionierarbeit bei der Entwicklung eines neuen Konzepts für Wasser: die Bezeichnung als „halbleere Flüssigkeit“. Er stellt fest, dass Wasser eine geringere Dichte als andere Flüssigkeiten hat und bei Abkühlung stabil bleibt. Im Gegensatz dazu werden andere Flüssigkeiten beim Abkühlen immer dichter. „Wasser bleibt ‚leer‘, bis zu einem gewissen Punkt“, sagt er. „Wenn dieser Punkt erreicht ist und das Wasser dichter wird, führt dies zu einem Kaskadeneffekt. Dies könnte andere anomale Eigenschaften erklären. Dieses Konzept der ‚halb leeren Flüssigkeit‘ ist eine neue Sichtweise auf Wasser.“
Genauere Modelle von Klimamustern
Russo weist darauf hin, dass die Anwendungsmöglichkeiten dieser Arbeit unglaublich breit gefächert sind. Das Verständnis des Verhaltens von Wasser – und warum es sich so verhält, wie es sich verhält – könnte Forschenden helfen, z. B. Klimamuster genauer zu modellieren. Das „Einstellen“ anderer Moleküle, damit sie sich mehr wie Wasser verhalten, könnte auch neue industrielle Möglichkeiten eröffnen. Zu diesem Zweck möchte Russo herausfinden, ob sein rechnerischer Ansatz zur „Einstellung“ von Molekülen in größerem Maßstab auf Kolloide angewendet werden kann, bei denen unlösliche Partikel in einer anderen Substanz suspendiert sind. „Das hat Auswirkungen auf alle Bereiche, die mit Wasser zu tun haben“, sagt er. „Das Bedürfnis, das Verhalten von Wasser zu verstehen, ist ein riesiges Feld.“
Schlüsselbegriffe
SOFTWATER, Wasser, Eis, Flüssigkeiten, Computer, rechnerisch, Klima, Wasserstoff