Bahnbrechende Neuromodulationstechnologie für die Epilepsiebehandlung
Epilepsie ist eine schwere Hirnerkrankung, von der weltweit über 50 Millionen Menschen betroffen sind. Die Erkrankten leiden unter wiederholten Anfällen, gefährliche „Gewitter“ mit abnormaler Aktivierung von Nervenzellen, die erhebliche Schäden verursachen und ihre Lebensqualität beeinträchtigen. Pharmazeutische Verbindungen sind in 30-40 % der Epilepsiefälle unwirksam, sodass alternative Ansätze mit minimalen Nebenwirkungen erforderlich sind. Im Laufe der Jahre sind verschiedene Technologien entstanden, bei denen dem Gehirn winzige elektrische Ströme zugeführt werden oder Nervenzellen durch Licht, Magnet- oder Ultraschallfelder manipuliert werden. Diese Technologien ähneln Schrittmachern zur Behandlung von Hirnerkrankungen. Diese erfordern zwar keine Verabreichung systemischer Medikamente, sind aber mit invasiven Eingriffen und genetischen Veränderungen verbunden, deren langfristige Auswirkungen unbekannt sind.
Bahnbrechende Modulation des Ionenspiegels in Neuronen
Das EU-finanzierte Projekt IN-FET zielt darauf ab, die Behandlung epileptischer Anfälle zu revolutionieren, indem es auf das der elektrischen Aktivität des Gehirns zugrunde liegende Prinzip einwirkt: Ionen. Die Bewegung von Ionen durch neuronale Membranen ist das Herzstück jeder Hirnaktivität und verursacht neuronales Feuern, synaptische Übertragung und neuronale Kommunikation. Das Team von IN-FET erforschte die visionäre Idee der Neuromodulation durch Ionenaktivierung auf Zellebene. „Die Idee war, anormale elektrische Aktivitäten in Nervenzellen zu regulieren, indem man die lokale Konzentration von Schlüsselionen wie Kalium und Kalzium verändert, die für die neuronale Aktivität entscheidend sind“, sagt Projektkoordinator Michele Giugliano. Das Konsortium entwickelte ein Gerät, das mithilfe spezieller Materialien und winziger Sensoren die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn kontrolliert und überwacht. Das Gerät besteht aus elektroaktivierten Polymeren, die mit spezifischen Ionen beladen und dann in der extrazellulären Umgebung von Neuronen freigesetzt werden können, um deren Verhalten zu verändern, wenn sie ein elektrisches Signal erhalten. In diese Polymere sind hochempfindliche Nanodraht-Transistoren integriert, die die elektrische Aktivität einzelner Nervenzellen erfassen können. Die Transistoren durchdringen Membranen und erfassen die elektrische Aktivität von Zellen mit einer bisher unerreichten räumlichen und zeitlichen Auflösung. Der wichtigste technologische Durchbruch von IN-FET besteht darin, dass sich das Gerät durch einen geschlossenen Regelkreis kontinuierlich selbst regulieren kann. Wenn die Sensoren zu viel Aktivität feststellen – zum Beispiel bei einem Krampfanfall – kann das Gerät Ionen freisetzen, um die Zellen zu drosseln. Ist die Aktivität zu gering, kann es Ionen einfangen, um den Zellen zu mehr Aktivität zu verhelfen. Auf diese Weise kann das Gerät die Aktivität der Nervenzellen auf präzise und kontrollierte Weise regulieren, ohne dass Medikamente oder invasive Eingriffe erforderlich sind.
Validierung und mögliche Anwendungen
Wenngleich weitere Arbeiten erforderlich sind, um die Kompatibilität des IN-FET-Systems mit invasiven Implantaten beim Menschen zu bewerten, hat das Konsortium in vitro erfolgreich seine Fähigkeit nachgewiesen, die extrazelluläre Konzentration von Kaliumionen in Neuronennetzen zu modulieren. Das Team erwägt eine internationale Zusammenarbeit zur Optimierung der Systemleistung für Tierversuche in naher Zukunft. Giugliano sagt: „Das Konzept der Ionenaktivierung ist nicht auf die Epilepsiebehandlung beschränkt. Bei jeder Erregbarkeitsstörung oder neurologischen Störung, bei der elektrische Stimulation und Hirnschrittmacher eingesetzt werden, könnten die Betroffenen von unserer Technologie profitieren.“ Das IN-FET-System könnte in Hochfrequenzanwendungen zur Tiefenhirnstimulation eingesetzt werden, wie sie beispielsweise bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit verwendet werden. Darüber hinaus könnte es im Bereich der Neuroprothetik für die Entwicklung effizienterer Gehirn-Maschine-Schnittstellen in Implantaten für das zentrale und periphere Nervensystem eingesetzt werden. Schließlich werden neue Wege für die Kommerzialisierung der derzeitigen IN-FET-Technologie in Betracht gezogen, da sie in Hochdurchsatzplattformen für Wirkstoffscreening und -entdeckung sehr nützlich sein könnte.
Schlüsselbegriffe
IN-FET, Ionen, Epilepsie, Gehirn, Krampfanfall, Neuromodulation, elektrische Aktivität, Transistoren, elektroaktivierte Polymere