Ausbreitung von Infektionskrankheiten bei Wildtieren nachverfolgen
Einzelne Tiere bilden soziale Netzwerke, die ihnen das Überleben erleichtern. Das Verständnis der Dynamik dieser Netzwerke kann uns viel über den langfristigen Erfolg einer bestimmten Art verraten und sogar darüber, warum einige Arten als Reservoire für Krankheiten dienen, die auf andere Arten übergreifen können. „Studien über das Verhalten von Tieren konzentrieren sich oft darauf, auf welche Weise unterschiedliche soziale Muster die Überlebensraten und den Fortpflanzungserfolg beeinflussen“, erklärt NETDEM-Projektstipendiat Matthew Silk von der Universität Edinburgh im Vereinigten Königreich. „Veränderungen in der Populationsgröße können jedoch diese sozialen Netzwerke verändern, was sich wiederum auf evolutionäre Prozesse und die Ausbreitung von Infektionskrankheiten auswirken kann.“
Sozialverhalten von Tieren und Populationsdynamik
Im Rahmen des Projekts NETDEM, das innerhalb der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt und vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Frankreich koordiniert wurde, wurde angestrebt, die Erforschung des Sozialverhaltens von Tieren und der Populationsdynamik näher zusammenzubringen. „Hier klafft eine kleine Wissenslücke, da es schwierig ist, Daten von Wildtieren vollständig zu erfassen“, sagt Silk. „Wir können nicht jedes Individuum in einer Gruppe ständig beobachten oder überwachen, sodass es in Bezug auf soziale Netzwerke ein gewisses Maß an Unsicherheit gibt.“ Ein häufig verwendetes Verfahren zur Nachverfolgung der Populationsdynamik ist die Rückfangmethode. Dazu wird ein Tier im Sommer gefangen, markiert und freigelassen und dann im Winter erneut eingefangen, um sein Überleben zu bestätigen. Auch hier handelt es sich um eine unvollkommene Methode, da sich viele Tiere leicht dem Wiedereinfangen entziehen können. Zu diesem Zweck entwickelte Silk statistische Modelle, die Daten aus sozialen Netzwerken mit Rückfang-Daten kombinieren. In Zusammenarbeit mit seinem Betreuer Olivier Gimenez vom CNRS konnte Silk modernste Modellierungsansätze mit Fachwissen in mathematischer Ökologie, Tierdemografie und Naturschutz verknüpfen.
Ausbreitung von Infektionskrankheiten nachverfolgen
Als ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit gilt ein statistisches Softwarepaket. Es besteht die Hoffnung, dass Forschende auf diese Weise verschiedene Datensätze kombinieren können, um zu einem klareren Bild über die Populationsdynamik innerhalb einer bestimmten Art zu gelangen, die möglicherweise schwer nachzuverfolgen ist. „Eine Anwendung, die ich sehr spannend finde, ist die Erforschung der Krankheitsökologie und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten“, fügt Silk hinzu. „Wir alle haben in den letzten Jahren gesehen, wie Sozialverhalten, Populationsdynamik und Krankheitsausbreitung Hand in Hand gehen.“ Silk und Gimenez organisierten außerdem einen Workshop in Montpellier, Frankreich. Dort kamen Fachleute für die Analyse sozialer Netzwerke und für Populationsökologie zusammen. „Diese Menschen am selben Ort zusammenzubringen, hat uns geholfen, einen Plan für die Zukunft zu entwickeln“, so Silk. „Wenn unser Ansatz funktioniert, wäre das ein großer Fortschritt bei der Verknüpfung der sozialen Struktur und Dynamik von Wildtierpopulationen mit der Populationsdynamik.“
Ökologische und evolutionäre Prozesse verstehen
Silk vertritt die Ansicht, dass die Arbeit im Rahmen des Projekts NETDEM einen Schritt vorwärts bei der Beantwortung einiger kritischer Fragen darstellt, etwa, wie Verhalten und Populationsdynamik die Krankheitsdynamik beeinflussen können. Er hofft, die entwickelten Methoden auf spezifische Tierpopulationen wie den Europäischen Dachs anwenden zu können. Silk ist besonders daran interessiert zu verstehen, warum einige Arten wichtige Reservoire für Krankheiten bilden, die auf Menschen, Vieh oder andere Arten übergreifen können. Dieser Themenbereich steht im Mittelpunkt seiner gegenwärtigen Arbeit an der Universität Edinburgh, die auf dem Erfolg von NETDEM aufbaut. „Wir interessieren uns für die Variationen in den bei Tierpopulationen zu findenden Sozialstrukturen sowie für deren Auswirkungen auf ökologische und evolutionäre Prozesse“, sagt er.
Schlüsselbegriffe
NETDEM, infektiös, Krankheit, Tiere, Dachse, evolutionär, ökologisch