Großes Potenzial zu erheblichen Emissionseinsparungen durch mit Strom hergestelltem Stahl
Die Eisengewinnung ist energieintensiv, da Eisen von Sauerstoff getrennt werden muss, diese aber in natürlich vorkommenden Mineralien fest verbunden sind. Gleichzeitig spielt Stahl – eine Legierung aus Eisen und Kohlenstoff – eine wesentliche Rolle beim Aufbau der Energieinfrastruktur, von Werkzeugen und Motoren bis zu Großgeräten. Dieser Kreislauf der Stahlherstellung und dessen Nutzung in der Energieinfrastruktur stärkt sich selbst und führt gleichzeitig zu mehr verfügbarer Energie und dem steten Wachstum stahlbasierter Infrastruktur.
Auf dem Weg zur CO2-neutralen Stahlherstellung
Bisher beruhte die Herstellung von Stahl aus Erzen ausschließlich auf Energie durch Kohleverbrennung. Bei dieser Methode wird CO2 in die Atmosphäre freigesetzt – das soll mit dem Verfahren aus dem EU-finanzierte Projekt SIDERWIN geändert werden. Daher wurde am Campus von ArcelorMittal R&D in Maizières-lès-Metz (Frankreich) ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt aufgebaut, um die Technologie auf TRL 6 zu validieren. Der Unterschied beim SIDERWIN-Ansatz im Gegensatz zur herkömmlichen Eisengewinnung liegt in einem Schritt, bei dem Eisenoxid zu metallischem Eisen reduziert wird. Bei der traditionellen Stahlerzeugung erfolgt diese Reduktion in einem Hochofen bei einem Prozess mit hohen Temperaturen und Kohlenstoff (meist in der Form von Koks). Dabei entstehen als Nebenprodukt immense Mengen CO2. Das SIDERWIN-Team hat die Notwendigkeit von Koks und die Erzeugung von CO2 durch eine chemische Reduktion im Hochofen eliminiert. „Bei unserem Ansatz wird für die Reduktion ein elektrochemischer Prozess eingesetzt. Dabei wird unter Verwendung eines Elektrolyts elektrischer Strom durch Eisenoxid geleitet, um es direkt in metallisches Eisen und Sauerstoffgas umzuwandeln, ganz ohne hohe Temperaturen oder Kohlenstoff“, berichtet die Projektkoordinatorin Valentine Weber. Und da das SIDERWIN-Verfahren auf Strom beruht, besteht die Flexibilität, erneuerbare Energiequellen wie Windkraft oder Solarstrom einzusetzen. Durch den Übergang von einem thermischen und CO2-intensiven Verfahren auf ein elektrochemisches, das möglicherweise mit sauberer Energie betrieben werden kann, ist es möglich, Eisen mit noch weniger Auswirkungen auf die Umwelt herzustellen. „Wir wollten eine CO2-neutrale Stahlproduktion erreichen, indem wir Strom einsetzen, der nahezu 100 % CO2-frei ist“, betont Weber. Das SIDERWIN-Team erforschte auch, wie Eisenoxide, die bei anderen industriellen Verfahren als Nebenerzeugnis anfallen, zum Beispiel beim Bayer-Verfahren in der Aluminiumproduktion, als Rohstoffe dienen könnten.
Erhebliche Emissionsreduzierungen und merkliche Kosteneinsparungen
„Durch die Nutzung von Strom kann der CO2-Fußabdruck von Stahlrollen in naher Zukunft um 60 % und bei vollständig dekarbonisierter Stromversorgung um 74 % gesenkt werden“, so Weber. „Außerdem könnte die SIDERWIN-Technologie außergewöhnliche Flexibilität von bis zu 39 GW für das europäische Stromnetz bieten.“ Durch diese Anpassungsfähigkeit konnte nicht nur das Stromsystem ausgeglichen, sondern auch der Bedarf an Spitzenlast-Energiequellen reduziert werden. „Mit der Flexibilität des SIDERWIN-Systems können auf europäischer Ebene jährlich etwa 6 Millionen Tonnen direkter CO2-Emissionen eingespart werden, indem Spitzenlast-Energiequellen ersetzt werden“, erläutert Weber.
Schlüsselbegriffe
SIDERWIN, Strom, Stahlproduktion, Eisenoxid, CO2-Emissionen, energieintensive Industrien, Verarbeitungsindustrie