Verletztes Rückenmark mit stimuliertem nanotechnologisch modifiziertem Gerüst reparieren
Unser Rückenmark ist im Wesentlichen eine feingliedrige zylindrische Struktur aus Zellen und Nerven, die Informationen zwischen dem Gehirn und dem Rest unseres Körpers übermittelt. Ist das Rückenmark geschädigt, kann dieser Informationsfluss unterbrochen, wenn nicht sogar ganz abgeschnitten werden – und deshalb können Rückenmarksverletzungen dermaßen verheerende Auswirkungen aufweisen. Noch vernichtender ist vielleicht die Tatsache, dass sich unser Zentralnervensystem nicht sehr gut regenerieren kann, was bedeutet, dass die Möglichkeiten zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen äußerst begrenzt sind. Doch dank Forschungsarbeiten, wie sie im Rahmen des EU-finanzierten Projekts NeuroStimSpinal durchgeführt werden, kündigen sich allmählich Veränderungen an. Das Projektteam entwickelt ein mit gezüchtetem Nervengewebe ausgestattetes Gerüst, bei dem mithilfe der Kombination aus faserigen und porösen topografischen Merkmalen die Morphologie des natürlichen Rückenmarks nachgeahmt wird. „Unser Ziel besteht darin, den verletzten Bereich des Rückenmarks zu entfernen und ihn durch unser Gerüst zu ersetzen, damit die Nervenzellen die Kommunikation wiederherstellen können“, erklärt Paula Marques, Forscherin an der Universität Aveiro und Koordinatorin des Projekts NeuroStimSpinal.
Interessante Grapheneigenschaften: elektrische Leitfähigkeit und Biokompatibilität
Im Zusammenhang mit Gewebezüchtung hergestellte Gerüste sind ein wichtiges Instrument der regenerativen Medizin, da sie strukturelle Unterstützung für die Zellanhaftung und die spätere Gewebeentwicklung bieten. Die Herausforderung besteht jedoch darin, das richtige Material für die jeweilige Aufgabe zu finden. Laut Marques ist Graphen ein Material, das erhebliches Potenzial für den Einsatz bei Rückenmarksverletzungen aufweist. „Graphen ist ein kohlenstoffbasiertes Nanomaterial mit außergewöhnlichen Eigenschaften, mit dem unsere Forschungsgruppe seit über 15 Jahren arbeitet, wobei verschiedene Anwendungen entwickelt werden“, sagt sie. Bei dieser Arbeit stellte Marques zwei Schlüsseleigenschaften fest: elektrische Leitfähigkeit und Biokompatibilität. „Diese Eigenschaften lenkten unsere Aufmerksamkeit auf die Entwicklung von Biomaterialien, die elektrisch stimuliert werden können“, fügt sie hinzu. Da das im Rückenmark vorhandene Nervengewebe elektrisch reagiert, erkannte Marques die Möglichkeit, die Verwendung von graphenbasierten Gerüsten zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen zu erkunden. Und so schlug die Geburtsstunde des Projekts NeuroStimSpinal.
Anlegen einer Elektrostimulation an das Biomaterial
Die erste Herausforderung im Zuge des Projekts bestand darin, ein Biomaterial zu finden, das mit Graphen kombiniert und in eine dreidimensionale Struktur eingebaut werden kann. „Einer unserer Projektpartner hatte eine Methode zur Extraktion einer extrazellulären Matrix aus Tierfett entwickelt“, erläutert Marques. „Diese natürliche Matrix liefert eine Reihe von biochemischen Anhaltspunkten, die es den Zellen ermöglichen, ihre Umgebung zu erkennen, was ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Geweberegeneration ist.“ Als Nächstes untersuchten die Forschenden, wie die Elektrostimulation des Biomaterials gelingen könnte. „Die große Aufgabe bestand darin, zunächst die extrazelluläre Matrix mit dem Graphen auf eine Weise zu verbinden, die leicht reproduzierbar sein und das Material selbst nicht auf irgendeine Weise toxisch werden lassen sollte, und dann einen längsgerichteten elektrischen Strom hindurchzuleiten“, erklärt Marques.
Implantierbare Vorrichtung zur Nervengeweberegeneration bei Rückenmarksverletzungen
In Versuchen mit embryonalen Nervenzellen konnten die Forschenden nachweisen, dass diese Vorläuferzellen, deren Differenzierung in Gegenwart dieser dreidimensionalen Struktur noch nicht vollständig abgeschlossen ist, sich zu Neuronen ausdifferenzieren können. Neuronen sind die Hauptzellen, die das Wachstum der Axone, der langen, fadenförmigen, die Nervenzellen miteinander verbindenden Fasern, auf eine Weise hervorrufen, dass sie entlang des gesamten Rückenmarks kommunizieren können. „Dies zeigt, dass es möglich ist, eine implantierbare funktionelle Vorrichtung zu schaffen, die aus einem Gerüst aus Graphenmaterial und einer extrazellulären Matrix besteht und in Verbindung mit Elektrostimulation Nervengewebe bei Betroffenen mit Rückenmarksverletzungen regenerieren kann“, schließt Marques. Marques ist zuversichtlich, dass die im Rahmen des Projekts NeuroStimSpinal gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse eine solide Grundlage bilden, auf der zukünftige Projekte aufbauen und letztlich unsere Möglichkeiten zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen weiter voranbringen können.
Schlüsselbegriffe
NeuroStimSpinal, Wirbelsäule, Rückenmark, Gerüst, Nervenzellen, stimuliertes nanotechnologisch modifiziertes Gerüst, Graphen, Nervenregeneration, implantierbare Vorrichtung, Rückenmarksverletzungen