Risiko von Nanomaterialien mithilfe modernster Berechnungsmethoden bewerten
Nanomaterialien – Materialien, die im Nanomaßstab gemessen werden können – sind in Hunderten Alltagsgegenständen enthalten. Sportkleidung enthält beispielsweise oft Nanosilber, um Gerüche zu mindern, während Titan in Nanogröße in Sonnencreme enthalten ist, da es UVA- und UVB-Strahlen absorbiert. „Materialien verhalten sich im Nanomaßstab anders“, erklärt die stellvertretende Projektkoordinatorin von NanoSolveIT, Iseult Lynch von der Universität Birmingham im Vereinigten Königreich. „Dadurch werden den Nanomaterialien ihre besonderen Eigenschaften verliehen.“
Einschränkungen der derzeitigen Prüfmethoden
Genauer gesagt haben Nanomaterialien im Verhältnis zu ihrem Volumen eine riesige Oberfläche, wodurch sie sehr reaktiv sind. Das bedeutet, dass sie für eine Reihe fortgeschrittener Funktionen sehr nützlich sind – aber auch ein potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen. Daher werden strenge Tests durchgeführt, um sicherzustellen, dass Nanomaterialien keine nachteiligen Wechselwirkungen mit zellulären Maschinen eingehen oder an Stellen gelangen, wo sie nicht hingehören. Die größten Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind die Tatsache, dass sich jedes Nanomaterial anders verhält und dass ständig neue Produkte in Verkehr gebracht werden. „Bei den derzeitigen Tests werden für jedes Nanomaterial Laborexperimente durchgeführt“, sagt Lynch. „Häufig werden Nagetiere eingesetzt, woraus ethische, finanzielle und zeitliche Probleme entstehen. Außerdem sind Nagetiere nicht immer ein Indikator dafür, wie sich Nanomaterialien auf den Menschen auswirken.“
Hochmoderne computergestützte Verfahren
Ziel des Projekts NanoSolveIT war es, diese Herausforderungen anzugehen und den Regulierungsbehörden zu helfen, mit dem hohen Innovationstempo in diesem Bereich Schritt zu halten. Durch die Entwicklung von In-silico- – oder computergestützten – Testverfahren gelang dies. Bestehende Daten wurden erfasst, um Computermodelle zu trainieren, die fundierte Vorhersagen für andere Materialien treffen können. „Alle diese Modelle basieren auf einer Kombination aus physikalischen und maschinellen Lern- oder KI-Verfahren“, fügt Projektkoordinator Antreas Afantitis von www.novamechanics.com (NovaMechanics Ltd) in Zypern hinzu. Das Projektteam setzte diese Modelle ein, um vorherzusagen, wie ein bestimmtes Nanomaterial beispielsweise mit Proteinen oder der Zellmembran interagieren könnte. Ziel war es, für jedes Partikel einen „Fingerabdruck“ zu erstellen, der genau beschreibt, wie es an andere Moleküle bindet und ob und wie es Toxizität auslöst. Es wurden zudem Modelle ausgearbeitet, um die Exposition von Arbeitskräften gegenüber bestimmten Nanomaterialien zu bewerten, wobei die Art (aktiv oder passiv) und die Dauer einer Tätigkeit sowie die Tatsache, ob die exponierte Person männlich oder weiblich ist, berücksichtigt wurden. Diese Ermittlung der Exposition könnte dann mit einer Gefahrenbewertung kombiniert werden, um eine Gesamtrisikobewertung zu erhalten.
Computergestützte Risikobewertung für Nanomaterialien
Das Projektteam von NanoSolveIT konnte die Kosteneffizienz und Schnelligkeit dieses Berechnungsansatzes sowie seine Flexibilität und Genauigkeit unter Beweis stellen. „Diese Berechnungsmethoden ebenfalls auch dazu beitragen, Tierversuche abzuschaffen, was in der EU Priorität genießt“, so Afantitis. Insgesamt wurden über 50 Modelle für Gefahren- und Expositionsendpunkte erstellt. Etwa 35 davon sind inzwischen frei verfügbar und können von der Industrie, den Regulierungsbehörden oder der Zivilgesellschaft genutzt werden. Sie verfügen über übersichtliche Schnittstellen. „Eine echte Stärke dieser Modelle besteht darin, dass sie intuitiv sind, mit detaillierten Anleitungen bereitgestellt werden und auf verschiedene Weise kombiniert werden können“, kommentiert Lynch. Alle Datensätze, die diesen Modellen zugrunde liegen, wurden ebenso veröffentlicht und so strukturiert, dass sie für weitere Analysen zur Verfügung stehen. Ein wichtiges Ziel lautet nun, diese Modelle auf die frühe Phase der Produktentwicklung auszurichten, um eine sichere und nachhaltige Produktion zu fördern. „Bei der Arzneimittelentwicklung werden Tausende Molekülkandidaten untersucht, um das Risiko eines Fehlschlags in der weiteren Entwicklung zu verringern“, fügt Lynch hinzu. „Die Idee, eine rechnergestützte Risikobewertung auf Nanomaterialien anzuwenden, ist sehr ähnlich.“
Schlüsselbegriffe
NanoSolveIT, Nanomaterial, Nanomaßstab, Nanosilber, Moleküle, Berechnungen, Gesundheit