In sicheren Händen: intelligente Roboter können weiche Objekte fachgerecht manipulieren
Für die Verarbeitung starrer Objekte existieren zwar bereits zahlreiche Roboterfertigungssysteme, doch bei deformierbaren Materialien sind die Möglichkeiten noch beschränkt. „Die bereits erhältlichen mehrfingrigen Roboter sind nur für bestimmte Anwendungen konzipiert und im Hinblick auf die Lebensdauer, die Kosten und den Betrieb problematisch“, so Youcef Mezouar, Koordinator des EU-finanzierten Projekts SoftManBot (Advanced RoBOTic Technology for Handling SOFT Materials in MANufacturing Sectors). Da Fertigungsroboter manchmal auch physisch mit Menschen interagieren müssen, sind sichere Bewegungen ebenfalls von höchster Bedeutung, wodurch sich die Herausforderung noch größer darstellt. Das Projekt SoftManBot entwickelte eine KI-gestützte Roboterlösung, die auf speziell angepassten Greifern und mehreren Sensoren für Taktiliät, Kraft, Annäherung und Bildverarbeitung basiert. „Die Wahrnehmungs- und Steuerungssysteme unseres Roboters ahmen die Fingerfertigkeit von menschlichem Bedienpersonal nach, was die Fertigungsqualität und Produktivität erhöht. Das ist nicht bloß eine technische Errungenschaft, sondern ein Paradigmenwandel“, erklärt Mohammad Alkhatib, der technische Leiter des Projekts.
Imitation als oberstes Ziel
In vier Pilotversuchen wurden zwei grundlegende Fertigungsaufgaben demonstriert. Die erste Aufgabe bestand in der Entnahme von Produkten aus Gussformen. Die Einspritzung von Flüssigkeiten in Gussformen zur Herstellung von Bauteilen ist in der Regel ein automatisierter Prozess. Das Herauslösen der geformten Teile erfolgt hingegen für gewöhnlich per Hand, da dabei viel Geschicklichkeit erforderlich ist. Die zweite Aufgabe war die Zusammensetzung von Produkten aus komplexen Mehrstoffkomponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften, einschließlich im Hinblick auf Steifigkeit, Farbe, Klebrigkeit, Form, Gewicht und Textur. Dies erfordert eine präzise Positionierung, eine kontrollierte Verformung und verschiedene Methoden zum Fügen der Bauteile. Für die erste Aufgabe führte SoftManBot die Demonstration in drei Pilotversuchen durch: einmal in Spanien bei Plastinher Urbán, wo es um die Entnahme von Schuhsohlen aus Gussformen ging; bei Decathlon in Albanien, wo die Demonstration an Sportbekleidung erfolgte; und bei Michelin in Frankreich im Rahmen der Reifenproduktion. Die zweite Aufgabe wurde in einem Pilotversuch bei Juema (Website nur auf Spanisch verfügbar) anhand der Entnahme und Montage von Spielzeugteilen demonstriert. „Unsere stark unterschiedlichen Pilotversuche profitierten gegenseitig voneinander, was die Möglichkeiten unserer Lösungen erweiterte und Zeit und Kosten bei der Entwicklung einsparte“, ergänzt Mezouar, der als Leiter der Fakultät für Ingenieurswissenschaften an der Hochschule Clermont Auvergne INP (Website nur auf Französisch verfügbar), dem Projektträger, tätig ist.
Spielerische Spielzeugmontage
Beim Zusammensetzen einer Puppe werden die Einzelteile für gewöhnlich mithilfe von Stäbchen und Pinzetten von Hand aus den Formen entnommen. Anschließend werden die Teile ebenfalls von Hand über vorgefertigte Löcher und Verbindungen zusammengefügt. Beide Vorgänge erfordern schnelle und höchst geschickte Bewegungen. Um diese Effizienz nachzuahmen, entwickelte SoftManBot ein Robotersystem, dass die Mengen, Farben und Texturen der verschiedenen Teile rasch verarbeiten kann und mit zwei speziellen Greifern ausgestattet ist: einem pneumatischen Greifer, der zur Entformung hohe Kräfte ausüben kann, und einen elektrischen Großhubgreifer für die Montage. Nachdem die Rohstoffe zu den erforderlichen Formteilen abgebunden waren, wurden die Roboter vom Bedienpersonal aktiviert. Die Roboter konnten durch eingebaute Kameras die Formen besser erkennen und anschließend anhand von Algorithmen die optimalen Greifstellen ermitteln. Mithilfe von Druck- und Tastsensoren konnten die Roboter dann die nötige Kontrolle und Kraft ausüben, um die Teile zu entnehmen. Zur Montage trennten die Roboter die Teile zunächst, wobei sie die Verformung bei der Handhabung verfolgten. Anschließend wählten sie mithilfe von Blaupausen, Druck- und Tastsensoren und einem softwarebasierten Entscheidungssystem die optimalen Greifstellen, um die Puppe zusammenzusetzen. „Die Ergebnisse waren beeindruckend: unser Robotersystem demonstrierte eine bemerkenswerte Geschicklichkeit und Konstanz. Das System konnte im Durchschnitt in 96 Prozent der Fälle mehr als 120 Teile wie Beine, Köpfe usw. entformenund setzte mehr als 40 Puppen korrekt zusammen“, merkt Alkhatib an.
Menschenorientierte Teamarbeit
Um für mehr Akzeptanz, Arbeitskomfort und Vertrauen des Bedienpersonals zu sorgen, hat SoftManBot menschliche Bedürfnisse von Grund auf in seine Lösung integriert. Die Automatisierung von körperlich anstrengenden Aufgaben hilft ohnehin dabei, das Risiko von Verletzungen durch wiederholte Belastung zu verringern. Doch das SoftManBot-System bietet zudem eine ergonomische Echtzeitmessung der Ermüdung und Belastung beim Bedienpersonal. Seine Algorithmen für die Aufgabenverwaltung umfassen zudem ein Bildverarbeitungssystem, das die Präsenz von Menschen verfolgt, sodass die Roboter ihre Bewegungen wie erforderlich anpassen können. „Zu Beginn des Projekts lag die Unterstützung des befragten Arbeits-/Bedienpersonals bei kaum 40 Prozent und viele hatten Angst davor, ihre Arbeit zu verlieren. Nachdem wir die Technologie demonstriert und Schulungen durchgeführt hatten, stieg die Akzeptanz auf 70 Prozent, wobei das Personal die Roboter nun eher als Helfer betrachtete“, merkt Mezouar an. Das Projekt hat seine Forschung bereits in über 30 Forschungsberichten geteilt und plant zudem ein Instrumentarium an wissenschaftlichen Ressourcen für Forschende mit Interesse an der Manipulation weicher Objekte.
Schlüsselbegriffe
SoftManBot, Roboter, Fertigung, verarbeitendes Gewerbe, Textilien, Gussformen, KI, Sensoren