Wie Mais seine Abwehr gegen Pflanzenfresser stärkt
Pflanzen haben im Laufe der Evolution viele Wege entwickelt, um sich vor Pflanzenfressern zu schützen. Strukturelle Abwehrtaktiken wie Stacheln erschweren Pflanzenfressern die Nahrungsaufnahme ebenso wie die Freisetzung spezifischer chemischer Verbindungen, wie Capsaicin, durch das Chilischoten ihre Schärfe erhalten. Doch die beste Verteidigungswaffe einer Pflanze ist möglicherweise ihr eigenes Immunsystem. Viele Pflanzen entdecken Gefahren, indem sie Moleküle erkennen, die von angreifenden Pflanzenfressern oder beschädigten Stellen an der Pflanze selbst freigesetzt werden. Sie lösen Veränderungen der Pflanzenstruktur oder die Produktion von Metaboliten aus, die für Pflanzenfresser entweder giftig sind oder deren Feinde anlocken – die Pflanze macht sich damit eine Strategie frei nach dem Prinzip „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zunutze. „Wir wissen allerdings nicht, ob und, wenn ja, wie Pflanzen unterschiedliche Signalarten kombinieren und integrieren, um ihre Abwehr zu stärken“, ergänzt Matthias Erb von der Universität Bern, an der das EU-finanzierte Projekt InteCue durchgeführt und koordiniert wird. Mithilfe von Wissen aus der Genetik, Molekularbiologie, Biochemie und chemischen Ökologie untersuchte InteCue, ob Pflanzen zur Stärkung ihrer Abwehr durch die Luft übertragene Gefahrensignale (flüchtige Verbindungen) mit pflanzeninternen Peptidsignalen kombinieren.
Prüfung der Hypothese von der Signalintegration
Wie Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat Lei Wang erklärt, wird die Signalgebung der pflanzlichen Abwehr vorwiegend in der Genetik und Biochemie erforscht, während die Interaktionen zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern im Zusammenhang mit flüchtigen Verbindungen traditionell eher der Forschungsdomäne der chemischen Ökologie zufällt. „Der molekulare Mechanismus, der hinter der pflanzlichen Signalgebung durch flüchtige Verbindungen steckt, ist daher noch weitgehend unerforscht“, führt er aus. InteCue untersuchte zunächst die Systemin-spezifische Signalgebung bei Tomaten. Systemin ist ein kleines Peptid, das von Tomaten als Reaktion auf einen Insektenangriff produziert wird. Das Team hatte bereits zuvor entdeckt, dass Systemin über die Zelloberflächenrezeptor-Proteine SYR1 und SYR2 eine Abwehrreaktion gegen Pflanzenfresser induziert. Durch seine gut erforschten Regulationsmechanismen eignete sich Systemin hervorragend als Kandidat zur Untersuchung der Signalintegration. Ergänzend stand eine umfassende Sammlung an genetischen Ressourcen für diese Arbeit zur Verfügung.
Von der Tomate zum Mais
Das Team setzte zunächst die CRISPR-Genomeditierungstechnologie ein, um mehr über die Regulation des Signalflusses zu erfahren. Dann wurde getestet, ob unterschiedliche flüchtige Verbindungen und/oder Systemin zu einer erhöhten Ausschüttung pflanzeneigener Abwehrstoffe führten. „Trotz der positiven Wirkung, die in Publikationen gezeigt wurde, konnten wir bei Tomaten dafür kaum Nachweise finden, zumindest nicht im untersuchten Zeitraum von 16 Stunden nach Behandlung“, so Wang. Anschließend verlagerte sich das Team auf die Untersuchung von Mais, die schließlich zur zentralen Entdeckung des Projekts führte: Junger Mais fungiert gewissermaßen als „Nase“, die stressinduzierte flüchtige Verbindungen „riechen“ kann, während die reiferen Blätter die chemische Abwehr übernehmen, die durch das kleine Peptid ZmPep3 eingeleitet wird. „Dass Pflanzen sich derart spezialisieren können, um wichtige Warnzeichen für einen Angriff zu erkennen, ist faszinierend“, fügt Erb hinzu. Für definitive Aussagen ist es zwar noch zu früh, da die Ergebnisse derzeit noch einer ersten Analyse unterzogen werden. Doch das Team fand möglicherweise tatsächlich Nachweise dafür, dass Mais flüchtige Reize und Peptidsignale integriert, um eine stärkere Abwehr zu erreichen.
Intelligentere Anbaupflanzen für eine nachhaltigere Landwirtschaft
Die Erkenntnisse von InteCue könnten letztlich zu maßgeschneiderten Züchtungsstrategien beitragen, die Anbaupflanzen mit einer höheren Schädlingsresistenz hervorbringen und somit eine nachhaltigere Landwirtschaft in Aussicht stellen. „Die Maisgene, die wir derzeit charakterisieren, könnten eines Tages als gentechnisches Ziel dienen, um Kultivare mit einer höheren Empfindlichkeit gegenüber flüchtigen Verbindungen zu schaffen, die Pflanzenfresser dadurch besser abwehren können“, schließt Erb. Das Team ermittelt nun das Maisprotein, das für diese „Riechfunktion“ zuständig ist. Gleichzeitig forscht es daran, den gesamten molekularen Verlauf von der Erkennung flüchtiger Verbindungen bis zur Produktion von Abwehrverbindungen zu entschlüsseln. Ein weiteres Ziel der Forschenden ist die Lokalisierung des Proteins, das die Schaltstelle bildet, die die Signalgebung durch flüchtige Verbindungen und Peptide kombiniert.
Schlüsselbegriffe
InteCue, Pflanzenfresser, Pflanze, immun, Herbivore, pflanzenfressende Insekten, Metaboliten, Mais, Tomate, flüchtige Stoffe, flüchtige Verbindungen, Peptid, Stress