Wie kreislauforientierte agronomische Verfahren in verschiedenen landwirtschaftlichen Szenarien Nutzen bringen
Die Landwirtschaft ist auf Böden angewiesen, in denen eine gesunde Mischung aus Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Kalium vorherrscht. Übliche landwirtschaftliche Verfahren wie der Einsatz von Düngemitteln sind jedoch oft ineffizient. Weltweit wird nur etwa ein Fünftel der Stickstoffverbindungen in nützliche Produkte umgesetzt. Die restlichen 80 % gehen als Abfall verloren und beeinträchtigen die Luft-, Wasser- und Bodenqualität, was die biologische Vielfalt bedroht und den Klimawandel beschleunigt. Außerdem werden, da Phosphatgestein nur in einer begrenzten Anzahl von Ländern vorkommt und Finnland über die einzigen nennenswerten Vorkommen in der EU verfügt, mehr Phosphate in die EU importiert als aus ihr exportiert. Aufgrund der heute üblichen ineffizienten Landbewirtschaftungspraktiken reichern sich außerdem große überschüssige Mengen an Phosphaten in Wasser und Boden an. „Mit der Rückgewinnung und Wiederverwendung von Nährstoffen und Kohlenstoff aus verschiedenen Abfallströmen der Agrar- und Ernährungsindustrie lässt sich die Abhängigkeit von mineralischen Düngemitteln und fossilen Brennstoffen verringern. Das ist gut für die Umwelt, die Kreislaufwirtschaft und die längerfristige Sicherheit der EU-Agrar- und Ernährungswirtschaft“, erläutert Victor Riau, Koordinator des EU-finanzierten Projekts Circular Agronomics (Efficient Carbon, Nitrogen and Phosphorus cycling in the European Agri-food System and related up- and down-stream processes to mitigate emissions). Im Rahmen des Projekts wurden einige Verfahren der kreislauforientierten Landwirtschaft innerhalb von sechs europäischen Fallstudien erprobt, die jeweils unterschiedliche biogeografische Bedingungen und somit Herausforderungen für den Agrar- und Lebensmittelsektor der jeweiligen Region repräsentieren. Das Team führte Folgenabschätzungen rund um Stickstoff-, Phosphor- und Kohlenstoffbestände, -ströme und -emissionen für die sechs Regionen durch und befragte 149 Landwirtinnen und Landwirte sowie 5 000 Verbrauchende, um ihr Verhältnis zu Fragen des Agrar- und Ernährungssektors und die Akzeptanz kreislauforientierter agronomischer Verfahren besser zu verstehen. „Unsere Bewertungen möglicher Lösungen für den Agrar- und Nahrungsmittelbereich sowohl aus ökologischer (unter Einsatz von Lebenszyklusanalysen) als auch aus sozioökonomischer Sicht werden die Einführung einiger dieser kreislauforientierten Nährstoffmanagementpraktiken auf evidenzbasierte Weise unterstützen“, sagt Riau vom Institute of Agrifood Research and Technology in Spanien.
In sechs Fallstudien die Kreisläufe schließen
Die projektinternen Fallstudien vertreten eine Reihe von Klimazonen wie das mediterrane Katalonien (Spanien) und die gleichfalls mediterrane Emilia-Romagna (Italien), das kontinentale Brandenburg (Deutschland), die alpine Region Lungau (Österreich), das atlantische Gelderland (Niederlande) und das kontinental-heiße Südmähren (Tschechien) mit jeweils einzigartigen landwirtschaftlichen Eigenschaften und Problemen. Am Beispiel der Milchviehhaltung zeigt sich, dass im mediterranen Katalonien bei der tierischen Erzeugung (Wiederkäuer) und im Feldfutterbau ein intensivlandwirtschaftlicher Ansatz verfolgt wird. Durch den Einsatz von Präzisionsfütterungsverfahren in einem Milchviehbetrieb konnte das Projektteam die Ammoniakstickstoffausscheidungen um etwa 20 % reduzieren und gleichzeitig die Ammoniakemissionen bei der Lagerung von Tierdung verringern. Der Tiermist diente dann der Düngung von Weidelgrasfeldern, wodurch sich der Eiweißgehalt der Pflanzen verbesserte. Die Fallstudie im alpinen Lungau verkörperte hingegen einen extensiven Bewirtschaftungsansatz. Es wurden die Auswirkungen von zwei Fütterungsstrategien auf das Freiwerden von Methan bei Milchkühen getestet: eine konventionelle (Grassilage, Maissilage, Heu, etwa 25 % Kraftfutter) und die sogenannte „Lungauer Fütterung“ (Grassilage, Heu, etwa 10 % Kraftfutter). Im Zusammenhang mit letzterer wurde nachgewiesen, dass die Methanemissionen um 23 % sinken. Gemessen wurde in einer Respirationskammer. Weitere Innovationen, die in allen Fallstudien zum Zuge kamen, dienten der Rückgewinnung von Stickstoff, Phosphor und Kohlenstoff aus Stalldung und Lebensmittelabfällen. Beispielsweise wurden Düngemittel auf biologischer Basis aus Gärrückständen gewonnen, indem der Mist in Feststoffe und Flüssigkeiten getrennt wurde. „Durch solare Trocknung und Ansäuern des Feststoffanteils wurde etwa das 1,3-fache an Ammoniakstickstoff zurückgewonnen und die Ammoniakemissionen während des Trocknungsprozesses um 72 bis 94 % reduziert.“ Die flüssige Fraktion wurde zur Erzeugung von Flüssigdünger mikrofiltriert und gereinigt, um den Stickstoff in Form von Ammoniumsulfat, einem anorganischen Dünger, zurückzugewinnen. Bei der Erprobung in Fruchtfolgen erbrachten die resultierenden biobasierten Düngemittel die gleichen Ernteerträge wie die mineralischen Düngemittel“, ergänzt Riau. Das Team hat außerdem unter Einsatz von hyperspektralen Bildgebungsverfahren die Bodenprofile der Fallstudien analysiert und die Verteilung von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor, die Stabilität und die Bioverfügbarkeit nach Anwendung verschiedener Rückgewinnungsverfahren kartiert.
Nutzen für vielerlei EU-Strategien
Das Projekt Circular Agronomics steht im Einklang mit zahlreichen europäischen Strategien wie zum Beispiel der Konzeptkomponente „Vom Hof auf den Tisch“ (mit dem Ziel, die Nährstoffverluste entlang der landwirtschaftlichen Lebensmittelkette bis 2030 um 50 % zu reduzieren), und dem europäischen Grünen Deal sowie der Nitrat-Richtlinie und der neuen Verordnung über Düngeprodukte. Nach der Analyse der aktuellen politischen Strategien wird in den noch zur Veröffentlichung anstehenden Empfehlungen für die Agrar- und Ernährungspolitik hervorgehoben, dass die landwirtschaftlichen Betriebe bei ihren Investitionen in nachhaltige Technologien und Praktiken zu unterstützen sind, während gleichzeitig der Zugang zu Informationen verbessert und die Verbrauchenden stärker sensibilisiert werden sollen. „Wir konzentrieren uns jetzt darauf, die Technologien auf den Markt zu bringen. Einige, wie die solare Trocknung des Dungs und der Gärrückstände sowie die Mikrofiltration der flüssigen Fraktion, sind fast fertiggestellt. Andere müssen weiter optimiert und im Maßstab vergrößert werden“, berichtet Riau abschließend.
Schlüsselbegriffe
Circular Agronomics, Düngemittel, Nährstoffe, Agrar- und Ernährungsindustrie, Stickstoff, Kohlenstoff, Kohlendioxid, Phosphor, landwirtschaftlicher Betrieb, Kulturpflanzen, Viehbestand, Kreislaufwirtschaft