Wenn unsere Erinnerungen an Falschmeldungen im Internet verlorengehen
Die Überprüfung von Fakten stellt ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Falschinformationen im Internet dar. Schließlich können letztere schwerwiegende Folgen für die Menschen und die Gesellschaft haben, da sie Wahlen, Konflikte und die Gesundheit beeinflussen. Laut einer Umfrage, die im Rahmen des EU-finanzierten Projekts vera.ai durchgeführt wurde, wird jedoch die wichtige Aufgabe der Archivierung von Desinformationen durch die von Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram ergriffenen Maßnahmen zur Verhinderung von Falschinformationen extrem erschwert. Welche Konsequenzen zieht das nach sich? Es gibt weniger dokumentierte Faktenüberprüfungen und weniger Nachweise für Spuren von Desinformationsinhalten. Wie in einer Veröffentlichung auf der Website der „Digital Methods Initiative“ berichtet wird, „verschwinden viele Links zu Inhalten (indem sie von den Plattformen oder Endnutzenden gelöscht oder nach der Fehler-Aufdeckung in private Gruppen verschoben werden)“. Dies schadet dem Gedächtnisspeicher der Faktenüberprüfung und beeinträchtigt die Bemühungen der Sozialwissenschaft, das Ausmaß der Desinformation auf den verschiedenen Plattformen zu bewerten.
Die Ukraine im Fokus
Doch wie umfangreich ist der „Gedächtnisverlust“ durch Maßnahmen zur Faktenkontrolle tatsächlich? Um diese Frage zu beantworten, nutzten die Forschenden an der Universität Amsterdam (Niederlande), die vera.ai-Projektpartnerin ist, den von der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien veröffentlichten Faktencheck-Datensatz „War in Ukraine“. Sie analysierten 1 991 Artikel zur Faktenüberprüfung und extrahierten über 41 000 Links, von denen 6 002 archivierte Webseiten waren. Das Team ermittelte die verschiedenen Faktencheck-Einrichtungen, die zur Archivierung von Links beitragen, sowie die Anzahl ihrer Beiträge und ihr Ursprungsland. Zudem wurde untersucht, wie sich die Veröffentlichungen mit dem Fortschreiten des Ukraine-Krieges weiterentwickelten. Die Studie ergab, dass mindestens 15 % der Archivierungen von Inhaltslinks im Datensatz „War in Ukraine“ der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien unzureichend sind. „Der ‚Gedächtnisverlust‘ ist sogar noch ausschlaggebender, da bei einer manuellen Analyse einer Stichprobe von 100 Links viele Fehler durch nicht abspielbare Videos gefunden wurden“, berichten die Autorinnen und Autoren in der Abhandlung. Außerdem fehlen bei 23 % der nicht archivierten Facebook-Links im selben Datensatz Inhalte. Auch die verwendeten Archivdienste werden erörtert: „Drei Hauptdienste dominieren derzeit das Feld: archive.today und seine Satellitenseiten mit 44,1 % im Datensatz, Archive.org mit 29,2 % und perma.cc mit 26,6 %. Während archive.today auf Werbung angewiesen ist, handelt es sich bei perma.cc um einen kostenlosen und kommerziellen Dienst, der an der Harvard University entwickelt wurde, während das US-amerikanische Internetarchiv Wayback Machine das frei zugängliche Webarchiv bleibt. Ihre Nutzung durch Faktencheck-Organisationen hängt oft davon ab, ob sie Inhalte von Plattformen und insbesondere von Facebook archivieren können, da sie über Anti-Bot- und Anti-Scraping-Maßnahmen verfügen.“ Die Forschenden fanden auch heraus, dass die Seiten der Plattformen zwar weiterhin zugänglich zu sein scheinen, aber viele von ihnen archivierte Warnungen über verschiedene Arten von Archivierungsproblemen anzeigen, die von Anmeldesperren bis zu nicht abspielbaren Videoinhalten reichen. Als nächstes beabsichtigt das Team von vera.ai: VERification Assisted by Artificial Intelligence, seine Studie auf weitere Datensätze auszuweiten. Weitere Informationen: vera.ai Projektwebsite
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