Weniger Abhängigkeit von Seltenen Erden für Europa
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts ExtendGlass forschten, könnten jetzt eine neue Möglichkeit gefunden haben, die leistungsstarken Magneten herzustellen, die wir für unsere CO2-armen Technologien benötigen. Der neue Ansatz wird in einer in der Fachzeitschrift „Advanced Science“ veröffentlichten Studie vorgestellt: Demnach sind keine Metalle der Seltenen Erden mehr erforderlich, die Europa derzeit nahezu ausschließlich aus China einführt. Die besten Dauermagneten, die es heutzutage gibt, enthalten Metalle der Seltenen Erden, deren Erzeugung von China dominiert wird. Daher nehmen aufgrund der zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen auch die Sorgen über eine anhaltende Lieferung zu. „Es gibt auch an anderen Standorten Ablagerungen Seltener Erden, doch der Bergwerksbetrieb ist enorm aufwendig: Für eine kleine Menge Seltener Erden müssen immense Mengen Material abgebaut werden“, erklärt die leitende Autorin der Studie, Prof. Lindsay Greer vom Projektträger von ExtendGlass, der Universität Cambridge, in einer Pressemitteilung auf der Website der Universität. „Aufgrund der Auswirkungen auf die Umwelt und der starken Abhängigkeit von China wurde händeringend nach alternativen Materialien geforscht, für die keine Seltenen Erden notwendig sind.“ Eine vielversprechende Alternative zu Seltenen Erden ist die Eisen-Nickel-Legierung Tetrataenit, die in Meteoriten vorkommt. Tetrataenit bildet sich im Laufe von Millionen Jahren natürlich beim Abkühlen des Meteoriten. So können die Eisen- und Nickelatome eine besonders angeordnete Struktur annehmen, durch die die Magneteigenschaften des Materials derer von Magneten mit Seltenen Erden ähneln. Da eine Wartezeit von Millionen Jahren keine tragbare Option darstellt, erzeugten Forschende in den 1960er Jahren Tetrataenit künstlich, indem sie Eisen-Nickel-Legierungen mit Neutronen bestrahlten und sie so in die gewünschte Atomstruktur formten. Diese Methode ist jedoch nicht in industriellem Maßstab reproduzierbar. „Seitdem ist die Wissenschaft fasziniert von dieser geordneten Struktur, doch sie fühlte sich immer wie etwas an, das in der fernen Zukunft liegt“, kommentiert Prof. Greer.
Die Schönheit der Einfachheit
Diese Zukunft ist gerade einen ganzes Stück näher gekommen. Das Forschungsteam hat eine mögliche Lösung gefunden, für die weder Millionen Jahre der Abkühlung noch eine Bestrahlung mit Neutronen erforderlich ist. Die Entdeckung ergab sich bei der Erforschung der mechanischen Eigenschaften von Eisen-Nickel-Legierungen mit einem kleinen Anteil Phosphor. In der Pressemitteilung heißt es, dass die Eisen- und Nickelatome sich durch das Phosphor – das auch in Meteoriten vorkommt – „schneller bewegen können, sodass sie die gewünschte Anordnung in kürzerer Zeit einnehmen können“. Das Team hat Eisen, Nickel und Phosphor zu entsprechenden Anteilen gemischt, um die Bildung von Tetrataenit so sehr zu beschleunigen, dass sich das Material in nur ein paar Sekunden bildet. „Das Erstaunliche war, dass keine besondere Behandlung erforderlich ist: Wir haben einfach die Legierung geschmolzen, in eine Form gegossen, und schon entstand Tetrataenit“, berichtet Prof. Greer. „Bisher war man der Ansicht, dass man Tetrataenit nur mit extremen Mitteln erhält, denn sonst braucht es Millionen Jahre zur Bildung. Unsere Erkenntnis stellt die Denkweise über dieses Material auf den Kopf.“ Dieser von ExtendGlass (Extending the range of the glassy state: Exploring structure and property limits in metallic glasses) unterstützte Ansatz ist zwar vielversprechend, doch es muss noch umfassend analysiert werden, ob er für die Fertigung leistungsstarker Magnete geeignet ist. Die Pressemitteilung berichtet von der Hoffnung der Forschenden, ihre Methode gemeinsam mit renommierten Magnetfertigungsunternehmen testen zu können. Weitere Informationen: ExtendGlass-Projektwebseite
Schlüsselbegriffe
ExtendGlass, Magnet, Seltene Erde, Eisen, Nickel, Phosphor, Tetrataenit, Eisen-Nickel-Legierung