Von Haarzellen zu Hörverlust
Was verbindet Embryonen, Haarzellen und das Hörvermögen? Wie sich herausstellt, eine ganze Menge. „Als Embryonen entwickeln wir Menschen in unserem Innenohr Haarzellen“, so David Sprinzak, Forscher an der Universität Tel Aviv. Wie Sprinzak erklärt, sind diese Haarzellen im Innenohr hochspezialisiert und für die Umwandlung von Schallschwingungen in elektrische Signale zuständig. Diese Signale werden dann an das Gehirn weitergeleitet, das sie im Prinzip in die Geräusche umwandelt, die wir hören. Mit zunehmendem Alter verlieren wir diese Haarzellen leider und damit auch einen Teil unseres Hörvermögens. Doch das könnte sich bald ändern, unter anderem dank der Arbeit des EU-finanzierten Projekts MorphoNotch. Ziel des Projekts, das vom Sprinzak Lab geleitet und vom Europäischen Forschungsrat unterstützt wird, ist es, die Prozesse besser zu verstehen, die während der Embryonalentwicklung zur Bildung der Haarzellen führen. „Wenn wir wissen, wie diese Haarzellen gebildet werden, können wir sie regenerieren, um Hörverlust zu behandeln oder sogar zu verhindern“, erklärt Sprinzak.
Der Notch-Signalweg im Mittelpunkt
Das Projekt zielt hauptsächlich darauf ab, zu verstehen, wie die Haarzellen im Innenohr während der embryonalen Entwicklung ein präzises Muster aus vier Reihen bilden. Laut Sprinzak spielt dieses Zellmuster für die Funktion des Innenohrs eine wichtige Rolle. „Wir wollten verstehen, wie diese wichtige und komplexe Struktur während der embryonalen Entwicklung entsteht“, erklärt er. Zu diesem Zweck konzentrierte sich die Forschungsgruppe auf den Notch-Signalweg, den wichtigsten Signalweg zur Koordinierung der Differenzierung benachbarter Zellen bei Tieren. „Insbesondere untersuchten wir das Zusammenspiel zwischen dem Notch-Signalweg und den mechanischen Kräften, die die Entwicklung des Innenohrs bei Säugetieren steuern“, so Sprinzak weiter.
Zellorganisation während der Embryonalentwicklung
Die Forschungsgruppe fand heraus, dass der Notch-Signalweg die Bildung eines zunächst ungeordneten Musters von Haarzellen steuert. Diese Zellen strukturieren sich jedoch schließlich zu einem geordneten Muster um. Dieser Prozess ist mit der Bildung eines Kristalls vergleichbar, wie sie typischerweise in der Atomphysik beobachtet wird. „Diese Entdeckung stellt einen neuen Entwicklungsmechanismus für die Zellorganisation während der embryonalen Entwicklung dar“, merkt Sprinzak an. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis des Projekts war jedoch, dass diese beiden Prozesse – die durch den Notch-Signalweg gesteuerte Differenzierung der Haarzellen und die durch mechanische Kräfte gesteuerte Reorganisation der Zellen – eng miteinander verbunden sind. „Ich bin sehr stolz auf diese Entdeckung, weil wir einen grundlegenden Prozess identifizieren konnten, der sich auch auf die Entwicklung vieler anderer Gewebe und Organe auswirkt“, erläutert Sprinzak.
Neue therapeutische Ansätze zur Behandlung von Hörverlust
Mit diesem grundlegenden Verständnis für die Bildung von Haarzellen wendet sich Sprinzak nun der Erforschung regenerativer Ansätze von Hörverlust zu. „Die Haarzellregeneration im Innenohr ist ein spannendes Gebiet, dessen Ziel die Entwicklung von Methoden zur Regeneration von Haarsinneszellen ist“, fügt er hinzu. Sprinzak ist zuversichtlich, dass die im Rahmen des Projekts MorphoNotch eingeführten Konzepte eine entscheidende Rolle auf diesem Gebiet spielen werden. „Unsere Ergebnisse bergen das Potenzial, zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze für die Behandlung von Hörverlust beizutragen“, so Sprinzak abschließend.
Schlüsselbegriffe
MorphoNotch, Haarzellen, Hörverlust, Innenohr, embryonale Entwicklung, Notch-Signalweg