Wie Schiffe dank einer Luftschicht umweltfreundlicher und kraftstoffsparender vorankommen
Die Beförderung auf dem Seeweg gilt als das Rückgrat des Welthandels. Sie stellt jedoch eine Belastung der Umwelt dar, denn sie ist jährlich für rund 940 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich, die in die Atmosphäre abgegeben werden. Ein Faktor, der zu den Treibhausgasemissionen des Seeverkehrs beiträgt, ist der Biobewuchs bzw. das Fouling, bei dem sich Mikroorganismen, Algen, Pflanzen oder kleine Meerestiere auf dem unter Wasser liegenden Schiffskörper ansammeln. Bildet sich Bewuchs am Schiffsrumpf, so erhöht sich der Reibungswiderstand, was zu einem Geschwindigkeitsverlust des Schiffes bzw. erhöhtem Kraftstoffverbrauch (und damit höheren Emissionen) führen kann, um die Geschwindigkeit beizubehalten. Bereits eine nur 0,5 mm dünne Biobewuchsschicht, die lediglich die Hälfte des Schiffsrumpfes bedeckt, kann die Emissionen um bis zu 25 % zunehmen lassen. Dieser Wert kann unter schwereren Bedingungen, etwa infolge einer dünnen Schicht aus Seepocken oder Röhrenwürmern, auf 55 % ansteigen. Nun gibt es zwar schon viele verschiedene Strategien zur Verringerung des Biobewuchses oder des Reibungswiderstands zwischen Schiff und Wasser, doch das EU-finanzierte Projekt AIRCOAT hat möglicherweise eine bahnbrechende Lösung zu bieten, die beides miteinander kombiniert. AIRCOAT hat eine neue Folie entwickelt, die eine passive Luftschicht um die Schiffskörper entstehen lässt, mit der diese dann kraftstoffsparender und umweltfreundlicher unterwegs sind. Entsprechend dieser Technologie der passiven „Luftschmierung“ hüllt sich der Schiffsrumpf in eine dünne und permanente Luftschicht, wenn er in Wasser eintaucht. Dadurch wird der Reibungswiderstand verringert und wahrscheinlich auch der Biobewuchs reduziert, da sich Organismen kaum auf Luftschichten ansiedeln. Außerdem kommen gemäß diesem Ansatz keine giftigen Stoffe zur Biobewuchsbekämpfung zum Einsatz, sodass keine schädlichen Chemikalien ins Wasser gelangen.
Alles begann mit einem Schwimmfarn
Inspiriert wurde die AIRCOAT-Lösung von Salvinia molesta, einem frei an der Wasseroberfläche treibenden Schwimmfarn, der auf seiner Blattoberseite auch unter Wasser eine permanente Luftschicht bilden kann. „Es war faszinierend, den Mechanismus zu verstehen, wie diese Pflanze unter Wasser eine Luftschicht beibehält, und dann in unserem Labor die ersten künstlichen lufthaltenden Proben herzustellen, die übrigens auch nach Jahren unter Wasser immer noch diese Luftschicht aufweisen“, so Prof. Thomas Schimmel vom deutschen Karlsruher Institut für Technologie, einem AIRCOAT-Projektpartner, in einer auf der Website „Hellenic Shipping News“ veröffentlichten Pressemitteilung. Das AIRCOAT-Team präsentierte auf der Oceanology International, einer Fachmesse für Meerestechnik, die im März 2022 in London stattfand, die Endergebnisse seiner vierjährigen Forschungsarbeit. Johannes Oeffner vom Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen, Deutschland, welches das Projekt AIRCOAT koordiniert, beschreibt die Errungenschaften des Teams in der Pressemitteilung: „Wir haben Produktionslinien und Testanlagen entwickelt, kilometerlange Folien produziert, ein Forschungsschiff beschichtet und eine Probefläche an einem Containerschiff angebracht, eine enorme Anzahl an Berechnungen und Simulationen durchgeführt sowie viele Stunden mit hydrodynamischen und auf den Biobewuchs abzielenden Experimenten verbracht.“ Das kleine Forschungsschiff in Malta und das Containerschiff in Rumänien dienten bei den beiden in einer realen Meeresumwelt durchgeführten Versuchen dazu, Einblicke in die Erzeugung und Anwendung lufthaltender Oberflächen zu gewinnen. AIRCOAT (Air Induced friction Reducing ship COATing) hat außerdem ein Kurzdossier veröffentlicht, in dem die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verringerung des Reibungswiderstands zwischen Schiff und Wasser zur Reduzierung der Seeschifffahrtsemissionen sowie von Finanzierungszyklen hervorgehoben wird, die reale Testbedingungen für die biologisch inspirierte umweltfreundliche Technologie berücksichtigen. Das Projekt endete im April 2022. Weitere Informationen: AIRCOAT-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
AIRCOAT, Biobewuchs, Fouling, Schiff, Seeschifffahrt, Emissionen, Luftschicht, Lufthülle, Beschichtung, Schiffskörper