Im Flugmodus: Warum streamen Verkehrsflugzeuge ihre Flugschreiberdaten nicht?
Kurz nach dem Abflug des Air-France-Fluges 447 von Rio de Janeiro im Juni 2009 geriet das Flugzeug in einen Sturm, verschwand von den Radarschirmen und stürzte in den Atlantischen Ozean. Die Suche nach dem Wrack mitsamt den aufgezeichneten Informationen darüber, was sich ereignet hatte, dauerte mehr als zwei Jahre. Warum übermitteln Flugzeuge ihre Flugschreiberdaten also nicht kontinuierlich während des Fluges? „Das wäre tatsächlich möglich“, sagt Claude Pichavant, leitender Sachverständiger für Kommunikation, Navigation und Überwachung bei Airbus. Datenstreaming ist derzeit eine von zwei Möglichkeiten für die Wiederherstellung von Flugdaten. Die Fluglinien können beim Kauf neuer Flotten selbst entscheiden, welche Option sie bevorzugen, sind jedoch verpflichtet, mindestens eine davon zu nutzen. Die Airbus-Flotte nutzt vorwiegend die Option des auswerfbaren Flugdatenschreibers („Deployable Flight Recorder“). Diese Blackbox, die entgegen ihrem Namen in der Regel eine leuchtende Farbe hat, zeichnet die letzten Stunden der Kommunikation aus dem Cockpit sowie eine Reihe von Flugparametern wie Geschwindigkeit, Flughöhe, Flugweg und Triebwerksleistung auf. Bei einem Absturz versuchen die Behörden, das Gerät so schnell wie möglich zu finden, um herauszufinden, was geschehen ist. Doch wenn das Flugzeugwrack im Meer versinkt, kann die Blackbox – und damit der darin enthaltene Datenbestand – nicht immer geborgen werden. Technologisch gesehen ist es bereits möglich, die Daten entweder kontinuierlich während des Fluges oder im Notfall direkt an Bodennetzwerke oder per Satellit zu übermitteln. Doch wie bei allen Technologien gibt es auch hier Nachteile. Zum einen bestehen physische Beschränkungen. Die Übermittlung der Daten verbraucht Energie, die dann möglicherweise für andere Systeme fehlt. Im Unglücksfall drehen sich Flugzeuge beim Absturz zudem oft auf den Rücken. Da die Datenübertragungsantenne normalerweise oben auf dem Rumpf des Flugzeugs installiert ist, kann es also passieren, dass der Sichtkontakt zu Satelliten und damit das Signal unterbrochen wird und die Daten verloren gehen. Ein weiteres Problem ist der Datenschutz: die gestreamten Daten könnten von Dritten oder von Personen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellen, abgefangen oder genutzt werden. „Es kann für die Konkurrenz oder Leute mit bösen Absichten durchaus interessant sein, an die Parameter der Fluglinie zu kommen oder abzufangen, was die Piloten sagen oder tun“, so Pichavant. Daher müssen alle gestreamten Daten verschlüsselt werden, sodass nur die befugten Stellen darauf zugreifen können. Der Übertragungsraum muss ebenfalls bedacht werden. Der Betrieb von Flugkommunikations- und Sicherheitssystemen setzt die Verfügbarkeit eines bestimmten Frequenzbandes voraus. Für Flugsicherheitsdaten gibt es einen geschützten Frequenzbereich, doch außerhalb dessen kann sich die Datenübertragung mit anderen Übertragungen in die Quere kommen. „Bei Störungen kann es dann zum Verlust von Informationen kommen. Das ist also ein weiteres Problem“, merkt Pichavant an. Dem Sachverständigen zufolge würden sich bei sinkenden Kosten künftig möglicherweise mehr Fluglinien für das Datenstreaming entscheiden, insbesondere wenn Satelliten mit niedriger Umlaufbahn eingeführt werden. „Das bedeutet dann mehr Möglichkeiten zur Nutzung dieser Konstellationen für die Datenübermittlung bei zugleich geringerem Energiebedarf“, erklärt er. Unterdessen finden am Boden Innovationen statt, um das Flugverkehrsmanagement in Europa zu modernisieren. Pichavant war am EU-finanzierten Projekt PJ31 Digits beteiligt, das dem Ziel diente, die Technologie von Passagierflugzeugen zur Übermittlung von Flugbahndaten an die Bodenkontrollstation zu verbessern. Die Probleme im Zusammenhang mit dem Daten- und Flugverkehrsmanagement werden angesichts der wachsenden Anzahl von Drohnen und möglicherweise sogar der Einführung von Flugtaxis in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen. „Wir behalten alle neuen Faktoren im Blick“, so Pichavant. „Aktuell geht es vor allem darum, den künftigen Rahmen für das Flugverkehrsmanagement von unbemannten Luftfahrtsystemen zu definieren, um diese vielen unterschiedlichen Luftfahrzeuge unter einen Hut zu bekommen.“ Möglicherweise könnte es dann sogar erlaubt sein, das Smartphone während des gesamten Fluges zu nutzen. Klicken Sie hier, um mehr über Claude Pichavants Forschung zu erfahren: Technologie zum Datenaustausch koordiniert Flugbewegungen am Himmel
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