Diamanten nun auch „best friends“ für die virologische Forschung
Freie Radikale sind Moleküle, in deren Außenhülle sich mindestens ein ungepaartes Elektron befindet, was sie instabil und sehr reaktiv werden lässt. Zu diesen freien Radikalen zählen u. a. reaktive Sauerstoff- (ROS) und reaktive Stickstoffspezies (RNS), die in geringen Mengen bestimmte zelluläre Prozesse begünstigen, etwa die Immunabwehr. Für die Immunabwehr des Körpers sezernieren etwa Fresszellen freie Radikale, die eindringende Krankheitserreger eliminieren. Stickstoffmonoxid fungiert in wichtigen Zellsignalkaskaden als interzellulärer Botenstoff und kann die Durchblutung anpassen. Über den Beitrag freier Radikale zur Pathogenität von Viren ist die Forschungslage jedoch uneindeutig, sodass detailliertere Analysen zur Kinetik freier Radikaler bei Virusinfektionen in hoher räumlich-zeitlicher Auflösung nötig sind.
Bestimmung freier Radikaler mittels Diamantmagnetometrie
Wechselwirkungen zwischen freien Radikalen und Viren waren daher Schwerpunkt des über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanzierten Projekts MagnetoVirology. Das Forschungsinteresse galt dabei dem primär in Afrika vorkommenden Semliki-Forest-Virus. „Unser Hauptziel war es, mit der vielversprechenden Methode der Diamantmagnetometrie bei Virusinfektionen die Belastung durch freie Radikale zu bestimmen“, erklärt Romana Schirhagl, Projektkoordinatorin an der Biotechnologischen Fakultät des Universitätsklinikums Groningen, Niederlande. Bei diesem Verfahren werden die Eigenschaften von Diamanten ausgenutzt, denn diese bestehen in der Regel aus Kohlenstoffatomen, die jeweils mit vier anderen Kohlenstoffen ein Kristallgitter bilden. Wenn im Kristall ein Kohlenstoff- durch ein Stickstoffatom ersetzt wird und das benachbarte Kohlenstoffatom fehlt, entsteht ein Stickstoff-Fehlstellen-Zentrum, das sich für biomedizinische Anwendungen nutzen lässt. Das Stickstoff-Fehlstellen-Zentrum hat optische Eigenschaften und kann mittels grünen Laser angeregt werden, rotes Licht zu emittieren. Dabei ist die Lumineszenz der Diamantpartikel von der Anzahl der vorhandenen Stickstoff-Fehlstellen-Zentren abhängig. Freie Radikale sind kurzlebig, reaktiv und mit herkömmlichen Verfahren schwer zu messen. „Mit Diamantmagnetometrie sind höchste Empfindlichkeit und Auflösung sowie Langzeitmessungen in Echtzeit möglich. Zudem lässt sich der Stress, der in der Zelle durch die Viruslast herrscht, visuell darstellen“, betont Schirhagl.
Beurteilung und Diagnose in lebenden Zellen
Auf diese Weise konnten freie Radikale in infizierten Zellen bereits in vitro gemessen werden und mittels Analyse der Synovialflüssigkeit bei Arthritiserkrankten einzelne Subtypen der Infektion unterschieden werden. Künftig könnte mittels Diamantmagnetometrie auch die Schwere viraler Lungeninfektionen beurteilt werden. MagnetoVirology demonstriert erstmals erfolgreich die Anwendung der Diamantmagnetometrie in der Virologie und eröffnet neue Möglichkeiten für die medizinische oder pharmazeutische Nutzung. Schirhagl zufolge „ist das Verfahren selbst zwar noch recht neu, aber es in einer biologischen Umgebung mit unseren beweglichen Sensoren erstmals anzuwenden, ist ein großer Erfolg.“ Die technologische Optimierung der Erfassungsrate, mit der sich das vom Projekt ausgegründete Spin-off-Unternehmen Diamond Sense derzeit befasst, soll die Implementierung der Diamantmagnetometrie für die Diagnostik vorantreiben. Neben einem besseren Verständnis des Krankheitsverlaufs kann dieser Ansatz dazu beitragen, die Auswirkungen von Virusinfektionen oder das Ansprechen auf einen Wirkstoff genauer zu bestimmen. Dies könnte pharmazeutische Unternehmen bei der Arzneimittelentwicklung unterstützen, indem die Wirksamkeit von Wirkstoffen und die Belastung infizierter Zellen durch freie Radikale genauer beurteilt werden können.
Schlüsselbegriffe
MagnetoVirologie, Diamantmagnetometrie, Virus, viral, Infektion, freie Radikale