Skip to main content
European Commission logo
Deutsch Deutsch
CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS
CORDIS Web 30th anniversary CORDIS Web 30th anniversary

Article Category

Inhalt archiviert am 2024-04-19

Article available in the following languages:

Extremer Kälte zum Trotz ließen sich die ersten modernen Menschen im Inland der Iberischen Halbinsel nieder

Entgegen bisheriger Annahmen kommt eine EU-finanzierte Studie zu dem Ergebnis, dass sich die ersten Homo sapiens in einer der kältesten Perioden der letzten Eiszeit, vor etwa 26 000 Jahren, im Iberischen Hinterland niederließen.

Die Frage, in welchem Zeitraum anatomisch moderne Menschen in einer bestimmten Region erstmals auftauchten, wird in der Wissenschaft stets heftig diskutiert. In Westeuropa ist diese strittige Region die Iberische Halbinsel. Es wird angenommen, dass der moderne Mensch bei seiner Ausbreitung in Eurasien dieses Gebiet als letztes besiedelte. Bislang betrachtete die Wissenschaft das Iberische Hinterland als Niemandsland, das der Homo sapiens bis vor etwa 19 000 Jahren mied. Erst dann schmolzen die Eisschilde des Letzten Glazialen Maximums – des Zeitraums der weitesten Ausdehnung der Eisschilde. Die jüngste Forschung zeichnet jedoch ein anderes Bild. Es gibt zunehmend Belege dafür, dass Jäger und Sammler das Inland der Iberischen Halbinsel betraten und mindestens in der Epoche des Solutréens, vor etwa 25 000 bis 20 000 Jahren, besiedelten. Nun belegen mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts MULTIPALEOIBERIA durchgeführte neue Feldforschungen und Laboranalysen erstmals, dass das Hinterland der Iberischen Halbinsel vor ca. 26 000 Jahren wiederholt bewohnt wurde. Die Daten zeigen, dass – im Gegensatz zum bisherigen Forschungsstand – die ersten als Jäger und Sammler lebenden Homo sapiens das Inland nicht mieden, nicht einmal während des Heinrich Stadials 2, einer der kältesten Perioden der letzten Eiszeit. Diese Daten wurden im Felsdach Peña Capón in der Provinz Guadalajara, Spanien, gewonnen. Dort finden seit 2015 Feldforschungen statt. Die Forschungsstätte befindet sich am Ufer des Flusses Sorbe, wo Sedimentlagen Materialüberreste enthalten, die den vor 26 100 bis 23 800 Jahren in dieser Region lebenden Jägern und Sammlern zugeschrieben werden. Das Felsdach wurde jahreszeitlich bedingt von diesen Solutréen- und Proto-Solutréen-Gruppen von Homo sapiens für die Jagd und die Verarbeitung der Beute genutzt.

Analysierte Materialien

An der Stätte Peña Capón wurden Radiokarbondatierungen und statistische Modellierungen von mehr als 30 Knochen- und Kohleproben sowie paläoökologische Analysen von Pollen, Holzkohle und Überresten kleiner Wirbeltiere durchgeführt, die sich in den Sedimenten befinden. Das Forschungsteam beurteilte darüber hinaus die Sedimentlagen unter geoarchäologischen Aspekten und untersuchte Steinwerkzeuge sowie Überreste großer Fauna, die die Jäger und Sammler in dem Felsdach hinterließen. Diese Untersuchungen ermöglichten die Erstellung einer genauen Chronologie der fortlaufenden menschlichen Besiedlungen dieser Stätte sowie die Rekonstruktion der Fauna und Flora am Peña Capón während der kältesten Periode der letzten Eiszeit. Es fehlt an früheren Belegen dafür, dass sich moderne Menschen im Inland der Iberischen Halbinsel niederließen – eine große Lücke, denn die letzten Neandertaler verschwanden vor etwa 42 000 Jahren aus diesem Gebiet. Der Prähistoriker Dr. Manuel Alcaraz-Castaño von der Universität Alcalá, Spanien, dem Träger des Projekts MULTIPALEOIBERIA, merkt in einer Pressemitteilung (auf Spanisch) in der Online-Zeitung „Alcalá Hoy“ jedoch an, dass die Studie, die das Team kürzlich in „Scientific Reports“ veröffentlichte, eine interessante Frage aufwirft: Was hätte die ersten Homo sapiens davon abgehalten, nach ihrer Ankunft auf der Iberischen Halbinsel aus Afrika vor 42 000 bis 43 000 Jahren das Hinterland zu besiedeln, wenn selbst die extreme Kälte der letzten Eiszeit sie nicht aufhielt? Die Ergebnisse der Studie legen die Möglichkeit offen, dass das Inland bereits viel früher als bisher angenommen besiedelt wurde und die derzeit bestehende Lücke in den Besiedlungsdaten nicht zwangsläufig die prähistorische Realität, sondern vielmehr eine Verzerrung in den Forschungspraktiken widerspiegelt. Das fünfjährige Projekt MULTIPALEOIBERIA (Population dynamics and cultural adaptations of the last Neandertals and first Modern humans in inland Iberia: a multi-proxy investigation) endet im Dezember 2023. Weitere Informationen: MULTIPALEOIBERIA-Projektwebsite

Schlüsselbegriffe

MULTIPALEOIBERIA, Iberische Halbinsel, Homo sapiens, moderner Mensch, Eiszeit, Hinterland, Peña Capón

Verwandte Artikel