Quantensimulationen decken exotisches Elektronenverhalten in extremen Magnetfeldern auf
Die Magnetfelder in Weißen Zwergen können bis zu 100 000 T erreichen, enorme Werte, die sich im Labor nicht reproduzieren lassen. Ein möglichst genaues theoretisches Verständnis von starken Feldern und Rechenmaschinen, die diese verarbeiten können, fließt in die rechnerische Genauigkeit des Verhaltens von schwachen Feldern ein, die nicht nur für die wissenschaftliche Forschung, sondern auch für reale Anwendungen unerlässlich ist. „Die in den Laboren erzeugten Magnetfelder sind schwach genug, um chemische Bindungen in kleinen Molekülen zu beeinflussen. Es tritt jedoch ein Größeneffekt-Mechanismus auf, der die Wirkung starker Felder auf kleine Moleküle mit der Wirkung viel schwächerer Felder auf größere Moleküle verbindet“, erklärt Erik Tellgren, Koordinator von MAGSPEC – einem Projekt, das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanziert wurde.
Elektronendynamik in konstanten und variierenden Magnetfeldern
„Die Chemie und die Molekularphysik können sich in der Gegenwart eines starken Magnetfelds dramatisch unterscheiden. Elektronische Zustände können ihren Charakter verändern. Wir waren darin erfolgreich, computergestützte chemische Methoden zu entwickeln, um die angeregten Zustände und die Eigenschaften des Emissionsspektrums zu untersuchen“, so Tellgren. Das Team berechnete Gebrauchsformeln, die die Funktionalität von LONDON erweitern, einem Softwarepaket, das Gauß‘sche Atomorbitale gemäß der London-Methode verwendet, um molekulare Systeme in starken Magnetfeldern zu simulieren. Die Forschenden verwendeten ihren Code auch, um die angeregten Zustände von Elektronen in kleinen Molekülen zu simulieren, die entweder konstanten (gleichförmigen) oder variierenden Magnetfeldern ausgesetzt sind. „Magnetfelder, die im Raum variieren, könnten exotische Phänomene hervorrufen, die die Effekte der speziellen Relativitätstheorie nachahmen“, fügt Tellgren hinzu. „Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie ein sich veränderndes Magnetfeld die Spin-Bahn-Wechselwirkung verursacht, eine relativistische Wechselwirkung zwischen dem Elektronenspin und seiner Bewegung.“
Elektronen brechen die bekannten chemischen Gesetze
Die Forschenden adaptierten ein Modell, das als Hartree-Fock-Theorie bekannt ist, um die Grundzustände von Elektronen zu beschreiben, und passten die zufällige Phasennäherung an starke Magnetfelder an, um angeregte Zustände wiederzugeben. Die Ergebnisse ließen erkennen, dass sich die Grundzustände mit zunehmender Feldstärke von Singlets mit geschlossener Schale in Zustände mit höherer Multiplizität verändern. Es wurde festgestellt, dass angeregte Zustände empfindlicher auf Magnetfeldänderungen reagieren. Polare Moleküle wie Lithiumhydrid, die schwächeren Feldern ausgesetzt waren, neigten eher dazu, ihren elektronischen Zustand zu ändern. Ein faszinierender Mechanismus, der überprüft werden konnte, ist, dass ein ungleichmäßiges Magnetfeld nichtkollineare Spindichten hervorruft, was bedeutet, dass die Spinrichtung im Raum variiert, um sich dem lokalen Magnetfeld anzupassen. Wenn nur Magnetfeldeffekte aufgetreten wären, wäre diese Ausrichtung perfekt gewesen. Da die Elektronen jedoch untereinander und mit den Atomkernen eine Wechselwirkung eingehen, ist die tatsächliche Ausrichtung ein komplizierter Wettstreit zwischen magnetischen Kräften und chemischen Effekten. Die magnetischen Kräfte brechen außerdem Symmetrien auf, die normalerweise für Elektronenspins gelten. Dies hat zur Folge, dass Übergänge zwischen dem Grund- und dem angeregten Zustand, die normalerweise aufgrund inkompatibler Spinsymmetrien verboten waren, nun möglich sind. Die Forschenden untersuchten zudem, wie ungleichmäßige Magnetfelder eine exotische Eigenschaft hervorrufen, die als toroidales Dipolmoment im Grundzustand bekannt ist. Sie prüften auch die relativen Beiträge von Spin und Orbitalbewegung. In Erweiterung des ursprünglichen Projektumfangs versuchten die Forschenden, die Dichtefunktionaltheorie – eine der beliebtesten Berechnungsmethoden – an Moleküle in starken Magnetfeldern anzupassen und zu verfeinern. „Unsere Forschung bietet verlockende Einblicke in die exotische Chemie von Atomen und Molekülen in starken Magnetfeldern, während sie einen Stresstest für die Quantenchemie darstellen. Wenn wir besser verstehen, wie starke Magnetfelder auf Atome und kleine Moleküle wirken, könnten wir auch die magnetischen Spektren von Weißen Zwergen interpretieren und möglicherweise neue chemische Bindungen aufdecken, die auf der Erde nicht vorkommen“, so Tellgren abschließend.
Schlüsselbegriffe
MAGSPEC, Magnetfeld, Elektron, Weißer Zwerg, kleine Moleküle, chemische Bindungen, computergestützte Chemie, Spin-Orbit-Wechselwirkung, Quantenchemie