Die vermeintliche Sicherheitsbedrohung ethnoreligiöser Gruppen in langwierigen Konflikten
In der Politikwissenschaft konzentriert sich der überwiegende Teil der Literatur zu innerstaatlichen Konflikten auf das Verständnis der vorherrschenden zugrunde liegenden Auslöser und die Beantwortung der Frage, warum einige zu Gewalt geführt haben und andere nicht. Obwohl die Literatur aufschlussreich ist, lässt sich keine eindeutige Erklärung dazu finden, wie die erste Phase dieser langwierigen Konflikte entstand, und konkret, wie ethnoreligiöse Gruppen zu einer existenziellen Sicherheitsbedrohung für Staaten und Gesellschaften werden. Das EU-finanzierte Projekt SeReNa-SEA mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen brachte die unsichtbaren, aber starken emotionalen, symbolischen und wahrnehmungsbasierten Mechanismen ans Licht, die staatliche und nichtstaatliche Beteiligte in pluralistischen Gemeinwesen dazu veranlassen, „andersartige“ ethnoreligiöse Gruppen als Bedrohung für ihre Sicherheit, ihre Macht und ihren Status darzustellen. „Zu diesem Zweck nutzte das Projekt interdisziplinäre Theorien aus den Forschungsgebieten kritische Sicherheit, Religion sowie Nationalismus und entwickelte einen Rahmen zum ethnoreligiösen ,Othering‘, um besser zu verstehen, wie im Zuge dieser Fremdmachung vermeintliche Unsicherheiten in greifbare Sicherheitsbedrohungen verwandelt werden“, erklärt MSCA-Stipendiat Michael Intal Magcamit. Der Hauptfokus lag auf Südostasien: Indonesien, Myanmar und die Philippinen.
Einblicke in emotionale, symbolische und wahrnehmungsbasierte Mechanismen
„Meine Untersuchung und Analyse der emotionalen, symbolischen und wahrnehmungsbasierten Mechanismen zeigt, dass ohne eine ernsthafte Wertschätzung dieser immateriellen, aber äußerst wichtigen Elemente gewaltsame Konflikte zwangsläufig wieder aufflammen und über lange Zeiträume verfestigt bleiben“, berichtet Magcamit. Die Förderung von Strategien zur Konfliktlösung sowie Programmen für Friedensarbeit, welche die Versöhnung und Regulierung durch emotionale, symbolische und wahrnehmungsbasierte Mechanismen berücksichtigen, ist daher von herausragender Bedeutung. „Darüber hinaus handelt es sich bei diesen Elementen nicht nur um effektive Instrumente, mit denen menschliches politisches Handeln erklärt werden kann. Sie stellen auch wichtige Ressourcen dar, die für Veränderungen in Bezug auf die beteiligten Personen und die akzeptierten Regeln eingesetzt werden können“, ergänzt Magcamit. Zusätzlich zu diesen Ergebnissen verdeutlichte das Projekt SeReNa-SEA auch, wie wichtig es ist, Religion und Nationalismus als legitime Bestandteile und Instrumente der Realpolitik anzuerkennen und ihnen einen angemessenen Platz bei der Politikgestaltung einzuräumen. „Diese Phänomene bestehen fort, weil sie für Staaten und Gesellschaften eine Frage der Sicherheit und des Überlebens sind – und es immer waren“, betont Magcamit. Darüber hinaus zeigte das Projekt, wie der Rahmen zum ethnoreligiösen ,Othering‘ die erläuternde Verfolgung des Prozesses unterstützen und vorantreiben kann. „Indem interpretative Arbeiten und kausale Argumente durch die theoretische und empirische Untersuchung von ethnoreligiöser Fremdmachung und langwierigen Konflikten miteinander verbunden werden, öffnet SeReNa-SEA die Tür zur Untersuchung von Mechanismen, die in der Politikwissenschaft gewöhnlicherweise ignoriert wurden“, fasst Magcamit zusammen.
Förderung von Forschung und Wissen
Die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Projekt wurden durch eine Reihe von Wissenstransferleistungen an die wissenschaftliche Gemeinschaft und die breitere Öffentlichkeit weitergegeben. Magcamit wird auf dem gewonnenen Wissen aufbauen und ein neues Projekt ins Leben rufen. Dabei soll erklärt werden, wie gewaltsame, langwierige Konflikte in Südasien, dem Mittleren Osten und Ostafrika wirksamer angegangen und verhindert werden können. „Ich werde den Rahmen zum ethnoreligiösen ,Othering‘ anwenden, um zu untersuchen, wie relevante staatliche und nichtstaatliche Beteiligte routinemäßig die emotionalen, symbolischen und wahrnehmungsbasierten Mechanismen der ethnoreligiösen Fremdmachung als Sicherheits- und Verteidigungsstrategien gegen bestimmte Zielgruppen aktivieren und einsetzen“, bestätigt Magcamit. Der MSCA-Stipendiat will auch das Labor „Asia-Pacific (In)Security Lab“ aufbauen und aktiv werden lassen. Diese Austauschplattform für Forschung und Wissenschaft soll den Forschenden und Fachleuten des Bereichs Sicherheit und Konflikte im asiatisch-pazifischen Raum zur Verfügung stehen. „Langfristig ist geplant, das Labor in eine voll funktionsfähige, gemeinnützige, hybride Forschungseinrichtung umzuwandeln, die sowohl als Nichtregierungsorganisation als auch als Denkfabrik fungiert“, schließt Magcamit.
Schlüsselbegriffe
SeReNa-SEA, Konflikt, Othering, Fremdmachung, ethnoreligiöse Gruppen, Sicherheitsbedrohung, Versöhnung, interne und innerstaatliche Konflikte, pluralistische Gemeinwesen