Wie Roboter besser in der realen Welt zurechtkommen
Auch wenn Roboter immer häufiger in unserem Leben auftauchen, sind sie doch kaum außerhalb von kontrollierten Umgebungen wie zum Beispiel der Fließbandfertigung oder Anwendungen zu finden, bei denen sie physischen Objekten lediglich ausweichen müssen, anstatt mit ihnen zu interagieren. „Das Hauptproblem, dem wir heute in der Robotik gegenüberstehen, tritt dann auf, wenn Roboter gehen, klettern und Objekte handhaben sollen“, erklärt Projektkoordinator Ludovic Righetti, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme und außerordentlicher Professor an der New York University. „Die physische Interaktion in den Griff zu bekommen, ist ein ungelöstes Problem in der Robotik. Es ist der schwierigste Sachverhalt, dem wir uns widmen müssen. Wir können auf den Einzelfall abgestimmte Algorithmen für ein paar Sensoren entwickeln, aber eine allgemeine Theorie für alle Roboter aufstellen, das kann bislang niemand.“
Maschinen in Bewegung
Ziel des EU-finanzierten Projekts CONT-ACT war, Grundlagenwissen zu erarbeiten und generische Algorithmen zu entwickeln, mit denen dieses Problem zu meistern sein könnte. Das Projekt stützte sich auf zwei Säulen: Die erste bestand darin, aus dem Verständnis der Physik die Grundprinzipien der physikalischen Interaktion abzuleiten. Die zweite beinhaltete Daten aus realen Roboterexperimenten, um das Verhalten dieses Systems zu verbessern. Righettis Gruppe hatte bereits eine generische Methode zur Steuerung von auf Beinen gehenden Robotern entwickelt und den Maschinen beigebracht, wie sie die von ihren Motoren ausgeübte Kraft anpassen können, um das Gleichgewicht zu halten. Um damit voranzukommen, mussten sie das gleiche Problem für einen Roboter lösen, der sich in Bewegung befindet. „Das ist in Echtzeit nur schwer realisierbar“, gibt Righetti zu bedenken. „Was auch immer wir tun, wir müssen es in ein paar Dutzend oder Hunderten Millisekunden lösen.“ Nachdem sie die Komplexität des Problems aufgegliedert hatten, konnten Righetti und sein Team etliche Algorithmen entwickeln, die den gesamten Körper des Roboters in Bewegung versetzen. „Wir entwarfen eine Steuerung, die es dem Roboter gestattet, auf Veränderungen in der Umgebung zu reagieren“, fügt er hinzu. „Geht er nun eine unebene Treppe hinauf oder schubst ihn gar jemand, so kann er dank der von uns erarbeiteten Algorithmen damit umgehen.“ Das Team entwickelte außerdem mit maschinellem Lernen agierende Verfahren, dank derer Roboter Daten von zusätzlichen Sensoren einbinden können. „Wir verfügen über Roboter mit taktilen Oberflächen, die Berührungen erkennen sowie Kraft und Druck messen können. Aber offensichtlich nutzen die Algorithmen, die steuern, wie diese Roboter Objekte greifen und manipulieren, diese Informationen meistens gar nicht“, sagt Righetti.
Virtueller Raum
Um einen allgemeinen Algorithmus für die Handhabung aufzubauen, müssen diese Daten miteinander kombiniert werden. „Bei einem Blick auf die Rohdaten werden die Messwerte der Sensoren sehr unterschiedlich ausfallen, wenn eine Kleinigkeit wie die Form oder Farbe eines Objekts verändert wird“, merkt Righetti an. „Aber sie beschreiben etwas Ähnliches.“ Werden diese Eingangswerte in einem virtuellen Raum abgebildet, so können Roboter allgemeine Modelle ihrer Umgebung erlernen und sich Verhaltensweisen aneignen, die sie in die Lage versetzen, mit ähnlichen, noch nicht gesehenen Objekten und Umgebungen umzugehen, anstatt dass ihnen beigebracht werden muss, wie sie mit jeder möglichen Abweichung davon interagieren. Righetti räumt ein, dass er im Endeffekt das größte ungelöste Problem der Robotik nicht knacken konnte. Es gelte immer noch, Algorithmen zu finden, mit denen Roboter wirklich autonom agieren könnten. Aber er betont, dass sein Team bedeutende Schritte in Richtung dieses Ziels unternommen hätte. „Wir verfügen nun über Algorithmen, die bereits ziemlich ausgereift sind und zu den schnellsten und zuverlässigsten zählen, die heutzutage existieren.“ Er fügt hinzu, dass die Weiterentwicklung der Roboterbewegung und der physischen Interaktion mit Objekten und der Umgebung seine Forschung in den nächsten Jahren dominieren werde. „Diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt. Wir kommen weiterhin gut voran und wir werden unser Ziel, eine Gruppe von Basisalgorithmen zu finden, unbeirrt weiterverfolgen.“
Schlüsselbegriffe
CONT-ACT, Roboter, Bewegung, Berührung, Kontakt, physische Interaktion, Algorithmus, Gleichgewicht