Die Milchstraße als Friedhof ausgestorbener Galaxien
Der Halo der Milchstraße ist mit Ansammlungen von Sternen gespickt, die als Kugelsternhaufen bezeichnet werden. Diese enthalten für gewöhnlich Hunderte oder Tausende dicht gepackte Sterne, die eine Kugelform bilden. In der Umgebung der Milchstraße wurden über 150 solcher Kugelsternhaufen beobachtet und noch viele mehr in den benachbarten Galaxien. Das EU-finanzierte Projekt Global-assembly setzte sich das Ziel, mehr über diese Himmelskörper in Erfahrung zu bringen. Zwar zählen sie zu den einfachsten Strukturen im Universum, jedoch ist nur wenig über ihre Herkunft bekannt. „Bisherigen Annahmen zufolge wurden alle Sterne in diesen Sternensystemen zur selben Zeit früh in der Geschichte des Universums geboren“, erklärt die Projektforscherin von Global-assembly Anna Fabiola Marino. „Wir haben nun entdeckt, dass diese Vermutung nicht ganz der Wahrheit entspricht.“
Metallische Sterne
Marinos Forschung konzentriert sich auf ein Phänomen der Kugelsternhaufen: die Existenz mehrerer Populationen unterscheidbarer Sterne innerhalb der Konstellation. Während manche dieser Sternenpopulationen aus Urmaterial bestehen – von dem angenommen wird, dass es früh in der Geschichte des Universums entstand –, sind andere reich an Elementen wie Helium, Stickstoff und Natrium. Das legt nahe, dass diese Sterne später entstanden und sich später entwickelten. „Diese metallische Variation gilt als Eigenschaft von Galaxien, die über wesentlich größere Massen verfügen, als Kugelsternhaufen“, merkt Marino an, die ihre Arbeit an der Universität Padua in Italien durchführte. Um die Kugelsternhaufen unter die Lupe nehmen zu können, erstellte Marino sogenannte „Chromosomenkarten“ – zweidimensionale Grafiken stellarer Lumineszenz auf Grundlage von Daten des Hubble-Teleskops. Diese Diagramme tragen die Intensität eines Sternes im UV-Bereich und optischen Blauspektrum auf der einen Achse gegen die Intensität vom UV-Bereich bis zum Infrarotspektrum auf der anderen Achse auf. Wenn man die Spektren für eine Auswahl an Sternen aus einem Kugelsternhaufen auf diese Weise anordnet, lassen sich die metallischen Eigenschaften der verschiedenen Sternenpopulationen feststellen. „Unsere spektroskopische Analyse stellte eine Legende bereit, die diese Karte aufschlüsselt, wobei jede Population anhand ihres chemischen Profils ausgewiesen wird“, erklärt Marino. „Wir können dieses Verfahren dann auf alle Populationen des Kugelsternhaufens anwenden und photometrische mit spektroskopischen Daten verbinden.“
Galaktische Herzen
Anhand dieser Ergebnisse stellte Marino fest, dass viele Sternhaufen ein ähnliches Metallprofil aufweisen wie Galaxien, was darauf hindeutet, dass sie die Überreste wesentlich größerer Sternenansammlungen sein könnten. „Einige davon könnten selbst Galaxien sein – Überreste ehemaliger Galaxien, die von der Milchstraße erfasst wurden“, sagt sie. Ihre Arbeit wurde im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt. „Die Förderung stellte Finanzhilfe für die Forschung bereit, bot aber auch die Gelegenheit für eine Zusammenarbeit mit ergänzenden Forschungsprojekten“, fügt sie hinzu. „So konnte ich signifikante Ergebnisse erzielen.“ Marino konnte sich seitdem eine feste Stelle am Nationalen Institut für Astrophysik Italiens in Florenz sichern. „Das Stipendium trug erheblich dazu bei, dass ich zu den richtigen Ergebnissen gelangen konnte, um wettbewerbsfähig zu sein, und die Gelegenheit bekam, mich auf diese Stelle zu bewerben“, erklärt sie. Sie plant, ihre Forschung zur Herkunft von Kugelsternhaufen in der Milchstraße fortzusetzen, und zählt dabei besonders auf das James-Webb-Weltraumteleskop, das Ende 2021 an den Start gehen soll: „Für unser Verständnis der Sternbildung ist diese Forschung unerlässlich und sie hat auch weitreichendere Implikationen für viele Bereiche der Astrophysik.“
Schlüsselbegriffe
Global-assembly, Kugelsternhaufen, Lumineszenz, Sterne, Milchstraße, Halo, Helium, Universum, Chromosomenkarte