Enträtselung der Verbindung zwischen Insekten, Klimawandel und Pflanzenabwehr
Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Der Klimawandel verändert die Region auf eine in jüngster Zeit beispiellose Art und Weise. Deshalb versuchen Forschende herauszufinden, welche Folgen all dies haben wird. Eine wahrgenommene Veränderung betrifft die Konzentration flüchtiger organischer Verbindungen. Dabei handelt es sich um Chemikalien, die von Pflanzen freigesetzt werden, um sich vor Stressoren wie hohen Temperaturen und dem Befall mit pflanzenfressenden Insekten zu schützen. In der Arktis haben diese flüchtigen organischen Verbindungen wichtige Auswirkungen auf die Aerosolbildung. Das ist für Klimamodelle entscheidend, da Aerosole Strahlung streuen und der Klimaerwärmung entgegenwirken können. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Erderwärmung zu einem Anstieg der flüchtigen organischen Verbindungen in der Arktis führt. „Allerdings ist zu beachten, dass die Auswirkungen der Abkühlung schätzungsweise viel geringer sind als die Auswirkungen der Erwärmung durch Treibhausgasemissionen“, so Tao Li, Assistenzprofessor für Terrestrische Ökologie an der Universität Kopenhagen, Dänemark, und Marie Skłodowska-Curie-Postdoktorand. Die Ursachen für die Veränderungen sind jedoch noch unbekannt. Vor diesem Hintergrund untersuchte das Projekt HIVOL die Zusammenhänge zwischen den flüchtigen organischen Verbindungen in der Arktis, den steigenden Temperaturen und pflanzenfressenden Insekten. Das Team arbeitete an mehreren langfristigen Experimenten zum Klimawandel, die von einigen Monaten bis zu mehreren Jahrzehnten andauern. In diesen Experimenten werden kleine Gebiete der Tundra mit nach oben hin offenen Gewächshäusern beheizt, die das zukünftige Klima nachahmen sollen. „Durch den Vergleich von Messungen aus den beheizten Gebieten und den angrenzenden Umgebungen können wir klimawandelbedingte Veränderungen abschätzen“, erklärt Riikka Rinnan, Professorin am Institut für Biologie und Leiterin des Rinnan Lab an der Universität Kopenhagen. Konkret ging es darum, zu messen, wie sich durch die Erwärmung der Insektenbefall an Gehölzen in der Arktis entwickelt, wie sich dadurch die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen verändern und wie die Auswirkungen pflanzenfressender Insekten in Emissionsmodelle einbezogen werden sollten, um diese Informationen auf einen größeren Maßstab zu übertragen. „Unsere Forschung zeigt, dass die Erwärmung nicht nur die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen direkt erhöht, sondern auch wichtige indirekte Auswirkungen wie zum Beispiel die Verstärkung des Fraßdrucks von Insekten hat“, ergänzt Li, Forschungsleiter des Projekts HIVOL.
Enträtselung der Zusammenhänge
Die Auswirkungen des Fressverhaltens der Insekten variierten je nach Pflanzen- und Insektenart. Interessant dabei war, dass die Fraßmenge blattfressender Insekten stärkere Auswirkungen auf die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen als die Klimaerwärmung selbst hatte. „Überraschenderweise werden durch die Erwärmung die Auswirkungen beißend-kauender Insekten auf die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen noch weiter verstärkt. Außerdem scheinen derartige Effekte unabhängig von der Dauer der Erwärmung konsistent zu sein“, merkt Li an. Im skandinavischen Bergbirkenwald stellte das Team fest, dass die Emissionsraten linear mit dem Ausmaß der durch Raupenfraß verursachten Blattschäden zunahmen. Einige spezifische Verbindungen wurden auch nur dann freigesetzt, wenn die Blätter von Mottenraupen befallen waren. Diese neuen Ergebnisse könnten in weitere Forschungsansätze einfließen sowie für die Überwachung von Veränderungen des Ökosystems und die Entwicklung von Strategien zur Schädlingsbekämpfung genutzt werden. „Flüchtige organische Verbindungen könnten im Bergbirkenwald potenziell als Biomarker für die nicht-invasive Erkennung und Überwachung von Raupenpopulationen verwendet werden“, erläutert Li.
Wie geht es weiter?
Das Rinnan Lab wird weiterführende Experimente zur Untersuchung der Reaktionen in Bergbirkenwäldern durchführen, die in der Vergangenheit unterschiedlich stark ausgeprägten Befallsraten mit pflanzenfressenden Insekten ausgesetzt waren. „Wir werden auch unser Raster erweitern und die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen eines ganzen Bergbirkenwaldes messen und gleichzeitig die Insektendichte überwachen. Unsere Aktivitäten zur Hochskalierung der Reaktionen und Modellierung werden dabei auch zukünftig von den Ergebnissen von HIVOL profitieren“, fügt Rinnan hinzu.
Schlüsselbegriffe
HIVOL, pflanzenfressend, flüchtige organische Verbindungen, Klimawandel, Emissionen, Arktis, Pflanzen, Insekten