Eine neue Generation von Experimenten soll die Frage nach der Quantengravitation lösen
Die Quantenmechanik und das Newtonsche Gravitationsgesetz sind zwei etablierte Theorien, die zur Beschreibung eines Großteils der physikalischen Welt verwendet werden. Beide Theorien beruhen jedoch auf sich gegenseitig ausschließenden Prinzipien, was die Frage aufwirft: „Erfordert die Gravitation eine Quantenbeschreibung?“ „Dies ist eine experimentelle Frage, die derzeit nicht durch experimentelle Beweise beantwortet werden kann“, so Markus Aspelmeyer, Quantenphysiker an der Universität Wien. Um zur Beantwortung dieser Frage beizutragen, leitet Aspelmeyer das EU-finanzierte Projekt QLev4G. Das vom Europäischen Forschungsrat unterstützte Projekt verfolgt das Ziel, einen neuen experimentellen Ansatz einzuführen, der auf der Quantenkontrolle schwebender Festkörperteilchen basiert. Damit wollen die Forschenden die Grundlage für die Durchführung einer neuen Generation von Experimenten legen, mit denen die Frage nach der Quantengravitation beantwortet werden soll. „Einerseits wollten wir wissen, wie klein wir ein Objekt gestalten können, sodass sein Gravitationsfeld immer noch messbar ist“, erklärt Aspelmeyer. „Andererseits wollten wir in die entgegengesetzte Richtung gehen und wissen, wie massiv wir ein Objekt gestalten können, sodass sein Quantenverhalten immer noch beobachtbar ist.“ Die Antwort auf diese Fragen wird die Forschenden theoretisch an Experimente heranführen, mit denen sie das von einem Quantenobjekt erzeugte Gravitationsfeld untersuchen können.
Bedeutende Fortschritte an zwei Fronten
Laut Aspelmeyer hat das Projekt sowohl an der Quanten- als auch an der Gravitationsfront bedeutende Fortschritte erzielt. „Was die Gravitation betrifft, so ist es uns gelungen, das Gravitationsfeld der bislang kleinsten Quellmasse in einem Experiment zu messen: einer winzigen Goldkugel mit einem Radius von nur 1 mm und einer Masse von nur 90 mg“, merkt er an. „Bei typischen Gravitationsexperimenten werden dagegen Massen verwendet, die mindestens 10 000-mal größer sind.“ In Bezug auf die Quantenmechanik nutzten die Forschenden Laserkühltechniken aus der Atomphysik, um den Quantengrundzustand der Bewegung einer 150 nm großen Glasperle zu erzeugen. „Dies ist das erste Mal, dass ein Festkörperobjekt dieser Größe in einer Umgebung mit Raumtemperatur Quantenverhalten gezeigt hat“, fügt Aspelmeyer hinzu. Eine Überraschung war laut Aspelmeyer die erstaunliche Empfindlichkeit des Gravitationsmessgeräts des Labors. Er sagt, dass sein Team immer wieder unerwartete Signale aufnahm, die von der Ziellinie des Vienna City Marathon aus einer Meile Entfernung stammten. Zudem konnten sie ein niederfrequentes Rauschen mithilfe eines Signals kalibrieren, das durch ein Erdbeben in der Türkei erzeugt wurde. „Wir waren überwältigt, als wir entdeckten, dass unsere Arbeit sogar auf das Gravitationsfeld der Wiener Straßenbahn empfindlich reagierte, die etwa 70 Meter von unserem Labor entfernt vorbeifuhr“, bemerkt Aspelmeyer.
Eine neue Plattform für makroskopische Quantenexperimente
Dem Projekt QLev4G ist es gelungen, schwebende Feststoffe als neue Plattform für makroskopische Quantenexperimente zu etablieren. „Diese Arbeit hat uns Experimenten, mit denen die Phänomene der Gravitationsquantenphysik untersucht werden können, einen Schritt näher gebracht“, so Aspelmeyer abschließend. „Ich hoffe, dass unsere Arbeit andere dazu inspiriert, die Herausforderung anzunehmen, die Schnittstelle zwischen Gravitation und Quantenmechanik zu ermitteln und zu beobachten.“ Derzeit arbeiten die Forschenden daran, die Gravitation von noch kleineren Massen zu messen. Dazu erzeugen sie am anderen Ende des Spektrums einen möglichst großen Quantenzustand für möglichst massive Objekte. Primäres Ziel ist es, die Gravitation zwischen Objekten als Kopplungskraft zu isolieren, die im Quantenregime gesteuert werden kann.
Schlüsselbegriffe
QLev4G, Quantenmechanik, Gravitationstheorie, makroskopisches Quantenexperiment, Gravitationsquantenphysik, Physik