Kostengünstigere und weniger invasive Tierverfolgung hebt ab
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich immer deutlicher. Dazu gehört die von Fachleuten als „sechste Massenausrottung“ bezeichnete Bedrohung, welche über die Hälfte der auf der Erde verbliebenen Arten auslöschen könnte. Die Schlüsselaufgabe bei der Ergreifung geeigneter Gegenmaßnahmen besteht darin, zu ermitteln, wo und wie dieses Artensterben stattfindet. Und dafür brauchen wir vor allem Daten zur Tierverfolgung. „Um Studien an wilden Tieren durchführen zu können, ist es nötig, diese zu orten und Daten aus ihren Halsbändern abzurufen“, so Alan Wilson, Professor für Biomechanik des Bewegungsapparates am Royal Veterinary College, Vereinigtes Königreich. „Normalerweise werden die Tiere mit Hilfe eines Funkfeuers oder eines Empfangsgeräts der globalen Satellitennavigationssysteme gefunden. Das Herunterladen der Daten erfordert jedoch immer, dass die Beobachtenden nahe an das Tier heranfahren und einen tragbaren Funkempfänger verwenden.“ Das war alles, bevor das vom Europäischen Forschungsrat finanzierte Projekt AIRSCAN verwirklicht wurde. Im Februar 2020 stellten Wilson und sein Team die Idee für eine neue Generation kostengünstiger Ultraleichtflugzeuge vor, mit denen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung verfolgt werden können. Mit diesem Flugzeug, das sich durch sehr niedrige Betriebskosten um die 30 EUR pro Stunde auszeichnet, und mit seinen integrierten Datenerfassungstechnologien an Bord kann der Pilot Luftbildvermessungen durchführen, Tierpopulationen filmen und Daten direkt aus der Luft herunterladen. „In die nähere Umgebung eines Wildtiers einzudringen und den Forscher oder die Forscherin möglicherweise in Gefahr zu bringen, ist schlichtweg überflüssig geworden. Unser Flugzeug Trail ADAP (aerial data collection platform, dt.: luftgestützte Plattform für die Erfassung von Routendaten) kann Halsbanddaten abrufen, indem es in einem Umkreis von 200-300 Metern um das Tier fliegt. Dadurch ist es nicht mehr nötig, lange Strecken über Land zurückzulegen und sich den Tieren am Boden zu nähern“, erklärt Wilson. Am wichtigsten ist, dass Trail ADAP ultraleicht ist. Es kann von einer Piste aus Schmutz und Gras starten und passt problemlos in einen Straßenanhänger oder Transportbehälter. Der Nutzen für die Gemeinschaft der Tierbeobachtenden ist beträchtlich. Gebiete, in denen der Zugang zum Boden aufgrund der Topographie oder der Vegetationsdichte unmöglich wäre, sind jetzt in Reichweite. Dies gilt auch für Gebiete, in denen ein solcher Zugang riskant oder zu zeitaufwendig ist.
Einzigartige Datensätze
Auch der Wert der abgerufenen Informationen steigt. Da Trail ADAP mit LIDAR und Videokameras ausgestattet ist, um Boden- und Vegetationserhebungen durchzuführen, ermöglicht es die Analyse der Verfolgungsdaten im Kontext der Umgebung des Tieres. „Wir haben unsere Vermessungsausrüstung eingesetzt, um das Jagdgebiet der afrikanischen Wildhunde zu erfassen. Dabei sollte untersucht werden, wie sie in der Vegetation jagen und die Beute aus der Deckung treiben. Im gleichen Sinne haben wir mit unserer Ausrüstung untersucht, wie sich Zebras in ihrem Lebensraum bewegen, welchen Pfaden sie folgen und ob sie bestimmten Routen treu sind“, fügt Wilson hinzu. Neben Wildhunden und Zebras untersuchte das Team auch Geparden, Leoparden, Löwen und ihre Beute in der weiten Savanne im Norden Botswanas. Während sich andere Methoden dort als unpraktisch erwiesen hätten, sammelte Trail ADAP einen einzigartig detaillierten Datensatz. Vor dem Hintergrund der gefährdeten Artenvielfalt besteht kaum ein Zweifel daran, dass Trail ADAP zur Erhaltung und Hege von Wildtieren beitragen kann. Obwohl das Projekt abgeschlossen ist, haben Wilson und sein Team weiterhin Pläne für den Einsatz im südlichen Afrika – wo sie sich um Mittel für neue herausfordernde Projekte zur Wildtierökologie bemühen – und im Vereinigten Königreich, wo sie die Aerodynamik des Vogelflugs untersuchen wollen. Wie sieht es mit anderen Anwendungen aus? Mehrere Organisationen, die normalerweise Hubschrauber zur Durchführung von Luftbildvermessungen von Infrastrukturen wie Eisenbahnen und Pipelines einsetzen, haben bereits Interesse an dem Flugzeug und seinen viel niedrigeren Betriebskosten gezeigt. „Trail ADAP wird demnächst über den Flugzeughersteller Groppo Ing. in Italien erhältlich sein. Es besitzt ein großes Potenzial, die Luftbilddatenerfassung in einer Vielzahl von Disziplinen und Anwendungen zu verändern“, lautet das Fazit von Wilson.
Schlüsselbegriffe
AIRSCAN, Flugzeug, Wildtiere, Tierverfolgung, Artenvielfalt, Trail ADAP, Datenerhebung