Behandlung von Hirnstörungen mit hochpräziser, ultraschallgesteuerter Wirkstoffabgabe
Die derzeitige Behandlung von Hirnstörungen ist eingeschränkt. Angefangen von Epilepsie bis hin zu chronischen Angstzuständen sind Hirnstörungen heutzutage schlecht behandelbar, da der Medizin nichtinvasive Methoden fehlen. Ein weiterer Nachteil ist, dass Medikamente zur Behandlung spezifischer Erkrankungen häufig erhebliche Nebenwirkungen in anderen Teilen des Gehirns oder Körpers verursachen. Zur Überwindung dieser Hindernisse untersuchen die am EU-finanzierten Projekt EngineeringBAP (Engineering brain activity patterns for therapeutics of neuropsychiatric and neurological disorders) arbeitenden Forschenden effektive, nichtinvasive Technologien, mit denen Gehirnaktivitätsmuster gemessen und korrigiert werden können. Im Laufe ihrer Arbeit haben die Forschenden von EngineeringBAP einen Weg gefunden, Medikamente mit Millimetergenauigkeit an bestimmte Ziele im Gehirn abzugeben. Die Methode wird in einem in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel beschrieben.
Steuerung von Wirkstoffträgern mit Ultraschall
Die neue nichtinvasive Methode verwendet ultraschallempfindliche Wirkstoffträger und neuartige fokussierte Ultraschallsequenzen, um die Wirkstoffabgabe im Gehirn zu steuern und zu verhindern, dass der Wirkstoff auf andere Teile des Gehirns und Körpers einwirkt. Die speziellen Wirkstoffträger werden durch Anbringen von Liposomen – winzigen kugelförmigen Lipidsäcken, die zum Transport von Wirkstoffen in das Gewebe gebildet werden – an ultraschallempfindlichen Mikrobläschen gebildet. Die Träger werden dann in den Blutkreislauf injiziert, damit sie das Gehirn erreichen können. Darauf folgt die Verwendung fokussierter Ultraschallwellen in zwei Sequenzen. In der ersten Sequenz wird der ultraschallgesteuerte Wirkstoffträger an den Zielregionen im Gehirn gesammelt. „Im Wesentlichen verwenden wir Ultraschallimpulse, um aus Schallwellen um den gewünschten Standort herum einen virtuellen Käfig zu erzeugen“, erklärte Prof. Mehmet Fatih Yanik vom Projektkoordinator ETH Zürich in einer Pressemitteilung auf der Website ‚EurekAlert!‘. „Während das Blut zirkuliert, spült es die Wirkstoffträger durch das gesamte Gehirn. Aber die den Käfig betretenden Träger kommen nicht wieder raus.“ Nachdem sich die Wirkstoffträger an einer bestimmten Stelle angesammelt haben, wird eine zweite Ultraschallsequenz verwendet, um die Wirkstoffe von den Trägern zu entfernen. Die verwendeten niedrigen Energiemengen sind 20-mal niedriger als die Sicherheitsgrenzwerte der US-amerikanischen Food and Drug Administration für die diagnostische Bildgebung. Sie verhindern daher vollständig eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor krankheitsverursachenden Toxinen und Krankheitserregern in unserem Blut schützt. Die Medikamente werden in den Blutkreislauf freigesetzt und durchqueren zum Erreichen der Wirkstoffziele die intakte Blut-Hirn-Schranke.
Niedrigere Medikamentendosis
Dieser neuartige Ansatz erfordert wesentlich geringere Dosierungen als derzeit zur Behandlung von Hirnstörungen verwendet werden. Die von den Forschenden in ihren Experimenten an Ratten verwendete Wirkstoffmenge war 1 300-mal kleiner als die typischen Dosen. „Da unsere Methode Wirkstoff an der gewünschten Stelle im Gehirn sammelt, benötigen wir keine annähernd so hohe Dosis“, bemerkte Prof. Yanik. Derzeit wird die EngineeringBAP-Methode anhand von Tiermodellen getestet, um ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Hirnstörungen und -erkrankungen zu bestimmen. Das fünfjährige Projekt endet im September 2024. Weitere Informationen: EngineeringBAP-Projekt
Schlüsselbegriffe
EngineeringBAP, Gehirn, Gehirnerkrankung, Wirkstoffträger, Ultraschall