Eine Übersicht der aktuellen Forschung und ihrer Auswirkungen auf den Status quo des sozialen Geschlechts
Wissensbasierte Wirtschaften leben von Innovationen. Das erzeugte Wissen und die Fähigkeiten müssen für Unternehmen und die Öffentlichkeit einfach zugänglich sein und die Veränderungen und Bedürfnisse einer modernen Gesellschaft akkurat wiederspiegeln. Da Innovationen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) an Bedeutung zunehmen, ist die Vertrauenswürdigkeit der gewonnenen Erkenntnisse enorm wichtig. Doch die geschlechtsspezifische Ungleichheit stellt im MINT-Bereich noch immer ein gravierendes Problem dar. Kann man sich also voll auf die Ergebnisse verlassen oder sind diese anfällig für Verfälschung, die sich letztendlich negativ auf die Leben von Menschen auswirken? Um erstklassige Qualität und Zuverlässigkeit als Markenzeichen der MINT-Forschung zu etablieren, muss eine Gleichstellung der Geschlechter in den entsprechenden Einrichtungen erreicht werden. Das EU-finanzierte Projekt GEECCO (Gender Equality in Engineering through Communication and Commitment) stellt die These auf, dass Forschungsfördereinrichtungen eine erheblich Rolle dabei spielen, den Status quo bezüglich des sozialen Geschlechts zu ändern. Angesichts dessen produziert GEECCO erläuternde Videos über die Rolle des sozialen Geschlechts in der Forschung.
Das soziale Geschlecht, Roboter und die Mensch-Computer-Interaktion
Das Projektteam hat bereits zwei Videos produziert, die sich mit Fragen des sozialen Geschlechts in den Bereichen der Robotertechnik und der Mensch-Computer-Interaktion befassen. Die Videos fassen zwei Literaturrecherchen zusammen, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurden, nämlich den „Literaturüberblick: Das soziale Geschlecht und die Robotertechnik“ sowie den „Literaturüberblick: Geschlechterforschung im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion“. Das erste Video, „Roboter in unserer Gesellschaft“, behandelt den Zusammenhang zwischen der Robotertechnik und dem sozialen Geschlecht sowie die Verantwortung der Forschenden und Fördereinrichtungen in diesem Bereich. „Heutzutage werden Roboter immer mehr dem Menschen nachempfunden, damit sie von der Gesellschaft eher akzeptiert werden. Wenn wir mit ihnen interagieren suchen wir nach bestimmten Eigenschaften, sei es die Stimme, die Haarlänge oder die Lippenform, um Roboter als ‚er‘ oder ‚sie‘ bezeichnen zu können – selbst wenn sie Menschen überhaupt nicht ähnlich sehen“, heißt es im Video. Letztendlich kommt das Video zum Schluss, dass man Roboter nicht mehr als geschlechtslos verstehen kann. Wenn das Konzept des sozialen Geschlechts von Menschen auf Roboter projiziert wird, können die daraus resultierenden Interaktionen mit diesen Robotern deren Überzeugungen beeinflussen, was „typisch Mann“ bzw. „typisch Frau“ ist. Im verhältnismäßig jungen Forschungsgebiet der Robotertechnik besteht mitunter die Gefahr, dass geschlechtsspezifische Stereotype von den Entwicklerinnen und Entwicklern möglicherweise unbewusst verstärkt werden. Laut dem Video „müssen wir uns fragen, wie wir die Welt, in der wir leben, gestalten wollen. Verstärkt ein bestimmtes Forschungsvorhaben die Vorurteile, die wir über Männer und Frauen haben? Wie können Roboter dazu beitragen, geschlechtsspezifische Stereotype auszuräumen? Ein geschlechterbewusstes Design nimmt auf die Bedürfnisse von Frauen, Männern und allen anderen Geschlechtsidentitäten Rücksicht und spricht somit eine breitere Zielgruppe an.“ Das zweite Video, „Menschen und Computer“, dreht sich um die Fragen, welche Eigenschaften der Mensch-Computer-Interaktion ermöglichen, die größtmögliche potenzielle Benutzergruppe anzusprechen und inwiefern dies mit Geschlechterrollen zusammenhängt. Drei Faktoren stehen dabei im Mittelpunkt: Die Ich-Methode, Diversität und Vorurteile. Bei der Ich-Methode gestalten Designerinnen und Designer Produkte entsprechend ihrer eigenen Vorlieben. Da diese Gruppe vornehmlich aus gut ausgebildeten Männern besteht, „werden die Bedürfnisse der Menschen, die nicht zu dieser gesellschaftlichen Gruppe gehören, oft außer Acht gelassen“, wird im Video erklärt. Ein Lösungsvorschlag besteht darin, in äußerst heterogenen Teams zu arbeiten. Die Diversität ist ein wichtiger Faktor zur Bestimmung von Zielgruppen, da kein Produkt von allen gleichermaßen genutzt werden kann. Zu guter Letzt wird im Video dazu geraten, Vorurteile „um jeden Preis“ zu vermeiden, da sie zu falschen Schlüssen verleiten können. Forschungsbemühungen, die alle diese Faktoren berücksichtigen, könnten zwar arbeitsintensiver sein, „aber sie sind notwendig, damit digitale Produkte die ganze Bevölkerung direkter ansprechen können“, heißt es im Video. GEECCO wird auch Videos zur Interaktion zwischen dem sozialen Geschlecht und der Mobilität bzw. der Energie, sowie zur Intersektionalität veröffentlichen. Insgesamt zielt es darauf ab, Pläne zur Gleichstellung der Geschlechter zu entwickeln, um systemische institutionelle Veränderungen zur Erreichung der Geschlechtergleichstellung im MINT-Bereich zu erwirken. Die Forschungsgemeinschaften an vier Partneruniversitäten haben diese Pläne schon umgesetzt oder entwickeln bereits bestehende Pläne weiter. Darüber hinaus wurde eine Ausstellung zu Geschlechterdimensionen in der Forschung in neun europäischen Sprachen mit dem erklärten Ziel zusammengestellt, Forschenden und Förderorganisationen, die kaum mit dem Thema in Kontakt kommen, einen guten Überblick über die Relevanz des sozialen Geschlechts bei Forschungsansätzen und dessen Anwendungen in konkreten Forschungsgebieten zu verschaffen. Die Ausstellung steht allen Interessierten online kostenlos zur Verfügung und kann leicht heruntergeladen und aufgebaut werden. Weitere Informationen: GEECCO-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
GEECCO, soziales Geschlecht, Mensch-Computer-Interaktion, Roboter, Stereotyp