Wie die metabolische Flexibilität den Alterungsprozess verlangsamen kann
Eine der ersten Studie, die zeigten, dass das Altern ein formbarer Prozess ist, stammt aus dem Jahr 1993. Dabei untersuchte sie das an Stoffwechselprozessen beteiligte Insulinrezeptorgen. Durch die Veränderung des Gens verlängerte sich die Lebenserwartung von Laborwürmern. Seitdem häufen sich die Hinweise, dass sich der Stoffwechsel mit dem Alter verändert und gezielt für entsprechende Gesundheitsmaßnahmen genutzt werden kann. Unter metabolischer Flexibilität versteht man die Art und Weise, nach der menschliche Zellen Nährstoffe auf der Grundlage ihrer funktionellen Anforderungen verwenden. Mit zunehmendem Alter nimmt diese Flexibilität ab und Zellen nutzen Nährstoffe nicht mehr so effektiv. Daraus können sich Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder Herzkrankheiten entwickeln. Das EU-finanzierte Projekt MetaFlex fand mehrere Gene und Maßnahmen, welche die Lebenserwartung von Würmern auf gesunde Weise steigern können. So stellte das Team fest, dass die Aminosäure Glycin das Leben deutlich verlängern kann. Die Teammitglieder fanden außerdem Biomarker für die Alterung, die bei der Bestimmung des biologischen Alters von Würmern helfen könnten. Entsprechende Ergebnisse zu Mäusen sollen bald veröffentlicht werden. „Das ist vielversprechend, um den Alterungsprozess und die Wirkung von Behandlungen zu verfolgen, muss aber noch weiter validiert werden, vor allem beim Menschen“, so der Hauptforscher Riekelt Houtkooper vom Labor für genetische Stoffwechselerkrankungen in Amsterdam, dem Projektträger.
Metabolische Flexibilität
Als er die Inspiration für MetaFlex erklärt, erinnert sich Houtkooper: „Wir untersuchten, ob eine gesunde Ernährungsweise grundsätzlich gesund und eine ungesunde grundsätzlich ungesund ist. Mit anderen Worten: Reagieren alle Menschen auf die gleiche Art und Weise auf dieselbe Ernährung? Da wir damals nur wenige Daten zur Verfügung hatten, war ich überzeugt, dass es kein universell gültiges Ergebnis, sondern ein individuelles geben würde.“ Das Team entwickelte eine fetthaltige Ernährungsweise, die das Leben von Laborwürmern verkürzt und suchte dann nach Genen, die das verhindern könnten. Die Teammitglieder fanden ein Gen, das die Würmer tatsächlich vor den schädlichen Auswirkungen der Ernährung schützt, wenn es abgeschaltet wird. MetaFlex wollte herausfinden, wie die beteiligten Prozesse funktionierten. Die Versuche wurden vor allem mit 1 mm langen Würmern durchgeführt, die mit verschiedenen Medikamenten oder Nahrungsmitteln behandelt oder bei denen die Gene deaktiviert wurden. Anschließend wurde der Einfluss der Maßnahmen auf die Lebenserwartung und spätere Gesundheit der Würmer geprüft. Zur Untersuchung der Prozesse, die den positiven Auswirkungen der Behandlungen zugrunde liegen, kamen umfangreiche Verfahren wie die Transkriptomik und die Metabolomik zum Einsatz. Damit sollten die Genexpression und Stoffwechselveränderungen exakt bestimmt werden. Die Metabolomik wurde vordergründig genutzt, um Biomarker des Alterns zu finden, wobei kleine Mengen von Molekülen in biologischem Material gefunden wurden. Durch die Optimierung dieser Technik konnte das Team Glycin als potenziellen Marker für die Alterung ausmachen und für die Maßnahmen nutzen. „Obwohl wir mit Würmern arbeiteten, beziehen sich nicht alle Ergebnisse nur auf Würmer. Nachdem wir feststellten, dass eine Glycin-Behandlung die Lebenserwartung der Würmer verlängert, veröffentlichten Forschende, dass sie auch die Lebenserwartung von Mäusen steigern würde. Dabei wurde eine Verbindung zwischen der Glycin-Menge im menschlichen Blut und der Gesundheit gefunden“, erklärt Houtkooper.
Auswirkungen auf die Menschen
Während umfangreiche Anwendungsmöglichkeiten aus der Forschung noch in weiter Ferne liegen, konnten zahlreiche Bereiche für weitere Untersuchungen bereits abgesteckt werden. Glycin könnte beim Menschen getestet und im Erfolgsfall in die Ernährungsempfehlungen aufgenommen werden. Sollten die Biomarker für die Alterung von Individuen auch beim Menschen validiert werden, könnte sich das biologische Alter durch einfach Blutproben bestimmen lassen. Die gefundenen Stoffwechselmechanismen könnten darüber hinaus zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen, die den Alterungsprozess verlangsamen. Zunächst müssen jedoch mehrere offene Forschungsfragen beantwortet werden, zum Beispiel zur weiteren Untersuchung der relevanten Gene. „Ein Gen, das am Stoffwechsel eines bestimmten Fettes beteiligt ist, sieht besonders vielversprechend aus. Wenn man die Synthese dieses Lipids blockiert, verlängert sich die Lebenserwartung von Würmern“, sagt Houtkooper. Das Team wird bald weitere Informationen zu ihren Forschungsergebnissen veröffentlichen.
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