Erhalt immaterieller Kulturgüter: neue Animationstechniken für die darstellende Kunst
Kulturelles Erbe bezeichnet mehr als nur unbewegliche Bauten und Sammlungen beweglicher Gegenstände, es umfasst auch Brauchtümer und Rituale, die über Generationen weitergegeben werden, etwa darstellende Kunst, Folklore, Feste und soziale Gepflogenheiten. Die Listen immaterieller Kulturgüter der UNESCO umfassen ein breites Spektrum an Bereichen und Kulturen: angefangen bei der Reggae-Musik Jamaikas und der Pfeifsprache der Türkei über den ägyptischen Stockkampf Tahtib bis hin zum handwerklichen Können bei der Fertigung von Kuhglocken in Portugal und Töpferwaren in Botswanas Bezirk Kgatleng, um nur einige Beispiele zu nennen.
Neue digitale Speichertechnologien
Inzwischen stehen viele innovative Technologien für die digitale Aufbereitung zur Verfügung, um etwa darstellende Kunst zu dokumentieren und zu bewahren, die in Vergessenheit geriete, wenn sie in den ursprünglichen Dörfern nicht mehr praktiziert wird. Da die digitale Speicherung immaterieller Kulturgüter aufgrund ihrer Vielfalt und Ausdrucksformen jedoch schwierig ist, widmete sich das EU-finanzierte Projekt AniAge nun dem Vorhaben, in dem es über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt wurde. Dabei standen zwei Ziele im Vordergrund: einmal die Senkung der Produktionskosten, zum anderen die Vereinfachung der automatisierten Archivierung und Reproduktion stilerhaltender immaterieller Kulturgüter. Mit dem Schwerpunkt auf folkloristischen Tänzen und Marionetten Südostasiens entwickelte das Projekt neue Techniken und Werkzeuge zur 3D-Rekonstruktion von Bewegungen aus archiviertem Videomaterial. Unter anderem ging es um die kompakte Darstellung und Strukturierung von Daten aus umfangreichen Datenbanken anhand von Videomaterial zu folkloristischen Tänzen und Theaterpraktiken sowie deren Annotation für ein effizientes Abrufen. „Der Prozess war ausgesprochen kosten- und zeitaufwändig“, erklärt Projektkoordinator Prof. Jian Jun Zhang. „Um diese Hürde zu nehmen, entwickelten unsere Informatik- und Animationsfachleute gemeinsam einen hybriden Workflow für die Kooperation zwischen Mensch und Computer.“
Kostensenkung
Computeranimation ist auch heute noch sehr teuer und arbeitsintensiv. So kostet etwa die Produktion von Blockbustern wie „Avatar“ und „Interstellar“ mehr als eine Million USD pro Filmminute, was über die verfügbaren Mittel zum Erhalt von Kulturgütern und andere kostengünstigere Anwendungen weit hinausgeht. Damit wird klar, wie wichtig eine effizientere Computeranimations- und Visualisierungstechnologie für die digitale Speicherung und andere Bereiche ist. In diesem Sinne kann AniAge vor allem auf die Entwicklung einer 3D-Datenbank für menschliche Skelettbewegungen in südostasiatischen Volkstänzen verweisen. Sie enthält etwa 150 Bewegungssequenzen des menschlichen Skeletts, die mit Bewegtbildsequenzen zusammengeführt werden. „Wir sind sehr stolz auf die Entwicklung dieser Datenbank“, berichtet Dr. Hongchuan Yu, wissenschaftlicher Leiter des Projekts, „und ihren breiten Anwendungsbereich für die darstellende Kunst, etwa für choreografische Modelle, Tanz und kinesiologische Modelle für Theater.“ Die vom Projekt entwickelten Techniken sind nicht nur für die Tanzforschung von Bedeutung, wie Zhang betont, denn die 3D-Rekonstruktion von Skelettbewegungen aus archiviertem Videomaterial lässt sich auch für viele andere Anwendungen nutzen. So können auch „andere traditionelle Volkstänze als immaterielles Kulturerbe vor dem Vergessen bewahrt werden“. Obwohl das Projekt im Dezember 2019 endete, werben Zhang und Yu derzeit externe Mittel für ein Folgeprojekt ein, damit das Team seine Arbeit fortsetzen und eine vollautomatisierte Technologie zur 3D-Bewegungsrekonstruktion entwickeln kann.
Schlüsselbegriffe
AniAge, kulturelles Erbe, Erhalt, immateriell, digital, Video, Filmmaterial, Folkloretänze, 3D-Bewegung