Neue Einblicke zur Rolle von „Chaperonen“ bei RNA-Mutationen
Ribonukleinsäuren (RNA) sind eine Klasse einzelsträngiger Moleküle und mobile Kopien der in der DNA enthaltenen Informationen, die in Proteine übersetzt werden, den Bausteinen des Körpers. RNA und deren Funktionen sind jedoch noch kaum erforscht und in den letzten 30 Jahren entdeckte die Wissenschaft, dass RNA deutlich mehr Aufgaben hat als nur die Vermittlung zwischen DNA und Proteinen. Das EU-finanzierte Projekt MuRChap befasste sich genauer mit RNA-Chaperonen. Betreut wurde das Projekt am Imperial College of London mit Unterstützung durch das Marie Skłodowska-Curie-Programm. RNA-Transkripte sind Informationsketten, die sich wie echte Ketten biegen, krümmen und an sich selbst binden können. „Bei dieser Bindung, der so genannten Faltung, entstehen häufig Fehler“, erklärt Forscher Tobias Warnecke, Gruppenleiter der Molecular Systems Group am MRC London Institute of Medical Sciences (LMS) und dem Imperial College London. „So unterstützen RNA-Chaperone die richtige Faltung der RNA.“
Chaperone als kluge „Anstandsdamen“
Schwerpunkt des Projekts sind Mutationen, die die RNA-Fehlfaltung begünstigen, sowie das Puffern und Abschwächen solcher Mutationen durch RNA-Chaperone. „Viele Mutationen sind sozusagen 'neutral', d. h. sie haben keinen Einfluss auf Überleben und Fortpflanzungserfolg“, sagt Warnecke. „Einige Mutationen hingegen wirken sich negativ aus und Chaperone können bestimmte schädliche Mutationen nahezu unsichtbar machen.“ Die Forschergruppe um MuRChap untersuchte am Süßwasserorganismus Tetrahymena das Gruppe-I-Intron, das sich ins Genom des Wirtsorganismus integriert und sich selbst aus dem RNA-Transkript entfernen kann, bevor es in ein Protein übersetzt wird. Von Bedeutung ist dabei die ordnungsgemäße Faltung der RNA-Struktur, denn nur so kann es sich selbst wieder ausbauen. Die Forscher induzierten Zehntausende von Mutationen in das Gruppe-I-Intron und generierten nahezu alle möglichen Kombinationen von Mutationen auf einem kleinen RNA-Segment, das für die jeweilige Funktion entscheidend ist. Das Experiment war so strukturiert, dass jede RNA-Kopie von einer spezifischen Escherichia coli-Zelle produziert wird. Diese Zelle kann nur überleben, wenn sich das Intron ordnungsgemäß faltet. „Indem wir beobachten, welche Mutationskombinationen nach der Vermehrung von E. coli nicht mehr vorhanden sind, können wir den negativen Effekt spezifischer Mutationen bestimmen“, erklärt Warnecke. Und die Ergebnisse waren schlüssig: „Wie sich zeigte, beeinflusst das RNA-Chaperon, wann eine Mutationskombination weitergegeben wird.“ Was genau jedoch dafür ausschlaggebend ist, ob ein RNA-Chaperon Mutationskombinationen toleriert oder nicht, lässt sich bis jetzt schwer sagen. Warnecke hofft, dass die Grundlagenforschung neue Erkenntnisse liefern und den Weg für RNA-Therapien gegen genetische Krankheiten ebnen wird. „Wir wollen ergründen, wie häufig solche Pufferfunktionen vorkommen. So ist etwa zu klären, ob RNA-Chaperone im menschlichen Genom eine ähnliche Pufferfunktion übernehmen wie in unserem einfachen Modellsystem. Und wenn ja: hat diese Pufferung Einfluss auf Mutationen im menschlichen Genom?“ fragt Warnecke.
Schlüsselbegriffe
MuRChap, RNA-Chaperone, RNA-Therapien, Mutationen, Pufferung