Stromversorgung von Städten mit Wellen: Die lange ersehnte Realisierung einer Vision
Es kann wunderbar beruhigend sein, die konstante Bewegung der Wellen, die an der Küste zerschellen, zu beobachten und ihr zu lauschen. So ist es schon paradox, dass die Kraft dieser Ruhequelle genutzt und in das Stromnetz eingespeist werden kann. Dank der EU-Finanzierung für das Projekt Wave Scale war es dem Unternehmen Eco Wave Power möglich, in Gibraltar das erste betriebsfähige Wellenenergiekraftwerk zu errichten. Das Projekt stützt sich auf einen Stromabnahmevertrag zwischen Eco Wave Power, der Regierung von Gibraltar und der Elektrizitätsbehörde Gibraltars, der über 25 Jahre läuft. Die derzeit installierte Leistung der Anlage beträgt 100 kW, aber ein Ausbau auf 5 MW ist bereits in Planung. Sobald der Ausbau erfolgt ist, soll die Anlage bis zu 15 % des Strombedarfs in der Region decken.
Eine einzigartige Wellentechnologie
Eco Wave Power schaffte den Durchbruch mit einem System von Schwimmkörpern, das zu 100 % umweltfreundlich ist, da es nicht im Meeresboden verankert, sondern an bereits vorhandenen baulichen Strukturen am Meer, wie Wellenbrechern, Molen oder Anlegestellen, befestigt wird. Das Design erleichtert den Montagevorgang wie auch die Wartung und garantiert gute Zugänglichkeit. Die bootsförmigen Schwimmkörper nutzen die Auf- und Abbewegung der herannahenden Wellen, um sauberen und preiswerten Strom zu produzieren. Diese Bewegung befördert über hydraulische Kolben durch Kompression und Dekompression eine biologisch abbaubare Hydraulikflüssigkeit in Hydraulikspeicher an Land. Der in den Hydraulikspeichern aufgebaute Druck treibt dann einen Hydraulikmotor an, der wiederum den Generator rotieren lässt. Der saubere Strom wird anschließend über einen Wechselrichter in das Stromnetz eingespeist. Nach der Dekompression fließt die Flüssigkeit zurück in den Tank für die Hydraulikflüssigkeit, von wo aus sie durch die Kolben wiederverwendet wird und somit ein geschlossenes Kreislaufsystem entsteht. Der gesamte Betrieb wird von einem intelligenten Automatisierungssystem gesteuert und überwacht. Werden die Wellen so hoch, dass das System sie nicht mehr bewältigen kann, heben sich die Schwimmkörper automatisch über die Wasseroberfläche und bleiben, bis der Sturm vorbeigezogen ist, in der aufgerichteten Position. Sobald das Unwetter abgeklungen ist, kehren die Schwimmkörper in den Betriebsmodus zurück.
Das weitgehend ungenutzte Potenzial der Wellen
Der Trend im Bereich saubere Energie geht heute in Richtung Solar- und Windstrom. Laut dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen wird allerdings die Energie, die Meereswellen in sich bergen, bisher noch nicht angemessen ausgeschöpft. Die Wellen der Meere enthalten möglicherweise die doppelte Menge der Energie, die die Welt heute generiert. Die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien schätzt, dass bei einer Nutzung von nur 2 % des Wassers an den 800 000 km Küstenlinie, die die Erde bietet, sich das globale technische Potenzial der Wellenenergie auf erstaunliche 500 GW an elektrischer Energie beläuft. „Meerwasser ist 832 mal dichter als Luft und enthält daher viel mehr kinetische Energie. Folglich ist es in der Lage, mit weitaus kleineren Anlagen größere Strommengen zu produzieren. Das spart sowohl Platz als auch Kosten“, merkt Inna Braverman, Mitbegründerin von Eco Wave Power, an. Die erfolgreiche Weiterentwicklung der Wellentechnologie in Europa könnte zur Produktion von 188 GW Strom im Jahr 2050 führen, was 10 % des Strombedarfs in Europa decken würde. „Die Technologie zur landseitigen Stromerzeugung aus Wellen von Eco Wave Power stellt die erste ihrer Art überhaupt dar und belegt, dass Wellenenergie ohne Weiteres im kommerziellen Maßstab eingesetzt werden kann,“ schließt Braverman.
Schlüsselbegriffe
Wave Scale, Eco Wave Power, Schwimmkörper, Meereswellen, sauberer Strom, Stromabnahmevertrag, Wellentechnologie, Wellenenergieanlage