Radio ins 21. Jahrhundert holen
Radio ist in Europa nach wie vor ein beliebtes Medium, das viele Hörer mehrere Stunden am Tag einschalten. Es gibt jedoch eine deutliche demografische Kluft zwischen den Generationen der Hörer. Obwohl die Nutzung bei Hörerinnen und Hörern ab 40 Jahren nach wie vor hoch ist, nimmt sie bei jüngeren Generationen immer weiter ab. Dieser Trend ist größtenteils auf den zunehmenden Wettbewerb durch neue Dienste zurückzuführen, insbesondere durch Streaming-Plattformen. Viele junge Leute bevorzugen die maßgeschneiderten, interaktiven Funktionen der Streaming-Dienste, die in einer Live-Radiosendung bisher einfach nicht möglich sind. „Die Hörer von heute suchen nach neuen Radioerlebnissen, und deshalb will HRadio (Hybrid Radio everywhere for everyone) das Medium ins 21. Jahrhundert holen“, so Simon Delaere, leitender Forscher für Medien, Innovation und Technologie an der Freien Universität Brüssel und bei imec. HRadio ist ein EU-finanziertes Projekt, mit dem das volle Potenzial der Hybridtechnologie für das Radio ausgeschöpft und die Integration einer kostengünstigen Rundfunkverteilung mit neuen Online-Funktionen nicht nur für mobile Anwendungen, sondern auch für Portale, verbundene Radios und im Auto ermöglicht werden soll.
Integration, Harmonisierung, Beteiligung
Das Hauptaugenmerk von HRadio liegt auf der Ermöglichung neuer Radiodienste auf der Grundlage der Konvergenz von Technologien auf mehreren Ebenen (Hybridradio). „Ziel ist es, attraktive neue Radiodienste zu realisieren, die durch Technologien wie Infrastruktur- und Entwicklungsbibliotheken ermöglicht werden“, sagt Delaere. „Auf diese Weise können Rundfunkveranstalter zeit- und ortsunabhängige lineare Radiodienste anbieten, die nahtlos mit personalisierten abrufbaren Inhalten verknüpft sind, wo und wann immer der Hörer dies wünscht.“ Zu diesem Zweck entwickeln die Forschenden Hybridfunktionen und Prototypen, die drei Schlüsselbereiche abdecken: Integration, Harmonisierung und Nutzerbeteiligung. Zunächst erstellten die Forschenden 47 Anwendungsfälle für die Integration von Streaming-Funktionen in Live-Radiosendungen. Beispiele hierfür sind interaktive Optionen wie Vorschläge für Musiktitel und Interpreten, die Möglichkeit, eine Sendung anzuhalten/zu starten, ohne dabei etwas zu verpassen, sowie eine Funktion, die ein Hörerlebnis von einer mobilen Anwendung ohne Unterbrechung auf das Autoradio überträgt. In einem Anwendungsfall können Nutzer sogar automatisch zu Titeln aus ihrer Spotify-Wiedergabeliste wechseln, wenn im Radio ein Lied gespielt wird, das ihnen nicht gefällt.
Zukunftssicheres Radio
Die Forschenden konzentrieren sich nun auf die Entwicklung und Erprobung von Prototypen, die viele dieser Funktionen beinhalten. Beispielsweise verwendet die HRadio-App einen Übertragungsstandard, der in der Branche als Digital Audio Broadcasting (DAB) über IP bezeichnet wird, um mit Metadaten angereichertes Radio über das Internet zu streamen. Eine Besonderheit des Prototyps ist die Timeshift-Funktion, mit der ein Nutzer eine Radiosendung abspielen, überspringen oder anhalten kann. Die App enthält auch eine soziale Funktion, mit der Nutzer Aktualisierungen freigeben und direkt mit dem Radiosender kommunizieren können. Zu den weiteren Prototypen zählen unter anderem die HRadio-Webansicht und die HRadio-Auto-App. „Bei jedem dieser Prototypen wird der einzigartige Live-Aspekt des Radios durch eine Reihe von Vorteilen des Streamings ergänzt“, erklärt Delaere. „Dadurch schaffen wir nicht nur eine neue Generation von Hörern, sondern helfen auch, dieses wichtige Medium zukunftssicher zu machen.“ Das Projekt wurde kürzlich bis April 2020 verlängert, um einen groß angelegten Test mit ausgereiften Prototypen abzuschließen. Das Team arbeitet auch aktiv mit belgischen und deutschen Rundfunkveranstaltern zusammen, um einige der ersten Funktionen des Projekts in ihre Live-Sendungen zu integrieren – weitere Radiosender in ganz Europa sollen in Kürze folgen.
Schlüsselbegriffe
HRadio, Radio, Streaming, Radiosendung, Hybridtechnologie, Hybridradio, Spotify