Weitläufig verwendete Antihypertonika könnten das Herz gefährden
Arzneimittel auf der Basis des Moleküls Dihydropydrin werden von Ärzten häufig zur Behandlung von hohem Blutdruck und Angina (Brustschmerzen infolge eines verminderten Blutflusses zum Herzen) verschrieben. Genau diese Arzneimittel könnten jedoch womöglich das Risiko eines plötzlichen Herzstillstands erhöhen. Bei einem plötzlichen Herzstillstand hört das Herz auf, Blut durch den Körper und zu anderen lebenswichtigen Organen zu pumpen. Ohne eine rechtzeitige Behandlung kann es daher zu einem tödlichen Verlauf kommen. Der plötzliche Herzstillstand ist für bis fast die Hälfte aller Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Industrieländern verantwortlich. In den meisten Fällen ist dies auf tödliche Herzrhythmusstörungen zurückzuführen, die infolge von Störungen der elektrischen Herzaktivität auftreten. Solche Störungen können durch verschiedene Faktoren bedingt sein, die sich auf die kardialen Ionenkanäle auswirken. Werden diese Kanäle blockiert, verkürzt sich das Aktionspotenzial der Herzmuskelzellen. Mit Aktionspotenzial bezeichnet man eine Änderung des elektrischen Potenzials, die auftritt, wenn ein Impuls an der Membran einer Muskel- oder Nervenzelle weitergeleitet wird. Eine Verkürzung der Aktionspotenzialdauer kann zu den erwähnten Herzrhythmusstörungen führen, die als ventrikuläre Tachykardie/Fibrillation bezeichnet werden. Da dadurch die kardialen Kalziumkanäle blockiert werden, bestehen Bedenken, dass Arzneimittel auf Dihydropyridin-Basis das Risiko eines plötzlichen Herzstillstands erhöhen. Mit Unterstützung des von der Europäischen Union (EU) finanzierten Projekts ESCAPE-NET (European Sudden Cardiac Arrest network: towards Prevention, Education and NEw Treatment) sind Forscher dieser Frage nachgegangen. In ihrer Studie untersuchten sie, ob Nifedipin und Amlodipin, die in den Niederlanden am häufigsten verschriebenen Dihydropyridine, tatsächlich mit einem höheren Risiko eines außerklinischen Herzstillstands einhergehen. Die Wissenschaftler führten dazu Fall-Kontroll-Studien anhand von Daten aus epidemiologischen Registern zu notfallmedizinisch versorgten außerklinischen Herzstillständen in Dänemark und den Niederlanden durch. Bei den untersuchten Fällen handelte es sich um Opfer außerklinischer Herzstillstände im Alter von über 18 Jahren mit dokumentierter ventrikulärer Tachykardie/Fibrillation mit Verdacht auf kardiale Ursachen. Im niederländischen Register wurden insgesamt 2 503 Fälle außerklinischer Herzstillstände mit 10 543 Kontrollpersonen und im dänischen Register insgesamt 8 101 Fälle außerklinischer Herzstillstände mit 40 505 Kontrollpersonen verglichen.
Forschungsergebnisse zu den untersuchten Kalziumkanalblockern
Aus den Ergebnissen der Studie geht hervor, dass hochdosiertes Nifedipin mit einem höheren Risiko außerklinischer Herzstillstände in der Allgemeinbevölkerung verbunden ist. Dies gilt jedoch nicht bei Nifedipin in niedriger Dosis oder Amlodipin gleich welcher Dosis. Die Forscher stellten bei den zellulären elektrophysiologischen Eigenschaften klinisch üblicher Dosierungen Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen fest und empfehlen eine vorsichtige Titration von Nifedipin. In ihrer Studie erklären die Autoren: „Die Verkürzung des Aktionspotenzials könnte zum erhöhten Risiko außerklinischer Herzstillstände bei Gabe von hochdosiertem Nifedipin beitragen. Dadurch ließe sich auch erklären, warum ein erhöhtes Risiko außerklinischer Herzstillstände zwar bei hochdosiertem Nifedipin, nicht aber bei Nifedipin oder Amlodipin in niedriger Dosis beobachtet wird: durch hochdosiertes Nifedipin wird eine stärkere Verkürzung des Aktionspotenzials hervorgerufen als unter den beiden anderen Dosierungsbedingungen. Obwohl Amlodipin bei vergleichbarer Konzentration wie Nifedipin zu einer Blockade der kardialen L-Typ-Kalziumkanäle [ICa,L] führt, ist das Ausmaß der ICa,L-Blockade in der klinischen Praxis bei Amlodipin geringer als bei Nifedipin, da die verordneten Dosierungen (und Plasmakonzentrationen) für Amlodipin deutlich niedriger sind.“ Die Erkenntnisse des Projekts ESCAPE-NET liefern Anhaltspunkte, die möglicherweise zur Entwicklung künftiger Strategien beitragen könnten, um diese unerwünschte Wirkung von Nifedipin zu verhindern. Solche Strategien könnten laut den Autoren die Ermittlung anfälliger Personen sowie eine Begrenzung der verschriebenen Dosierungen voraussetzen. Weitere Informationen: ESCAPE-NET-Projektwebsite
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