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Inhalt archiviert am 2024-04-17

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Unmerkliche Auswirkungen der Nanopartikel im Visier

Die Nanotechnologie wird zur allgegenwärtigen Realität: Beweis dafür sind Kleidung und Kosmetik, die wir täglich benutzen, ebenso wie die elektronischen Geräte, die uns Tag für Tag begleiten. Und während die Industrie die Herstellung dieser Materialien in den Griff bekommen ha...

Die Nanotechnologie wird zur allgegenwärtigen Realität: Beweis dafür sind Kleidung und Kosmetik, die wir täglich benutzen, ebenso wie die elektronischen Geräte, die uns Tag für Tag begleiten. Und während die Industrie die Herstellung dieser Materialien in den Griff bekommen hat, ist doch nur wenig über ihr weiteres Schicksal bekannt, wenn einmal die Lebensdauer zu Ende geht. Das NANO-ECOTOXICITY-Projekt betrachtete nun im Speziellen die Auswirkungen der Nanopartikel auf Bodenorganismen. Wirtschaftswachstum, steigende Bevölkerungszahlen und Ressourcenknappheit sind die drei Hauptelemente einer der wohl schwierigsten Gleichungen, welche die Menschheit zu lösen hat. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass die Nanotechnologie Teil der Lösung ist. Es locken kleinere, schnellere, leichtere, intelligentere und kostengünstigere Geräte, die auch noch weniger Rohstoffe erfordern und nicht so viel Energie verbrauchen. Der Weg ist jedoch noch lang, bevor die Nanotechnologie als der Heilige Gral des wissenschaftlichen Fortschritts anzusehen ist. Über die Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt ist noch relativ wenig bekannt. Sie sind derzeit Gegenstand heißer Debatten zwischen Wissenschaftlern, Industrievertretern, Politikgestaltern und Umweltorganisationen. NANO-ECOTOXICITY ist eines von mehreren EU-finanzierten Projekten, mit denen man versucht, sich Klarheit über die Dinge zu verschaffen. Bei der Untersuchung von Metallnanopartikeln (NP) geht man von Beobachtungen aus, dass diese Teilchen in zunehmendem Maße in den Böden enden werden und dass zuverlässige Daten in Bezug auf ihre Aufnahme von und die möglichen Auswirkungen auf die Bodenorganismen fehlen. Das von Dr. Claus Svendsen koordinierte Team hat Toxizitätstests durchgeführt, um die Wirkung von Nanopartikeln aus Zinkoxid (ZnO) und Silber (Ag) auf Regenwürmer (Eisenia andrei und Lumbricus rubellus) zu bewerten. Ziel war, die Hauptaufnahmewege für Metallnanopartikeln bei diesen Organismen aufzuklären. Dr. Maria Diez-Ortiz, Forschungsleiterin des NANO-ECOTOXICITY-Projekts, sprach mit uns über ihre Forschungsergebnisse und ihre Erwartungen, wie diese zum Wissenszuwachs und zur Entwicklung von Instrumenten für standardmäßige Methoden zur Bewertung von Umweltgefahren und -risiken beitragen werden. Was ist der Hintergrund des NANO-ECOTOXICITY-Projekts? Nanotechnologie stützt sich auf die Grundidee, dass mit der technischen Veränderung von Größe und Form der Materialien auf Atomebene, d. h. im Nanometerbereich (nm), individuelle optische, elektronische oder magnetische Eigenschaften derart abgestimmt werden können, dass neue Fähigkeiten hervortreten, die kommerziellen Wert haben. Man ist jedoch offensichtlich besorgt, dass solche neuartigen Eigenschaften auch zu neuartigem Verhalten in den Wechselwirkungen mit biologischen Organismen führen und damit unter Umständen neuartige toxische Wirkungen auslösen. Da Nanopartikel (NP) ähnlich klein wie Viren sind, basiert ihre Aufnahme in und der Transport durch Gewebe auf Mechanismen, die sich von der Aufnahme und dem Transport von Molekülen unterscheiden. Daher bestehen Bedenken, dass standardgemäße toxikologische Tests im Zusammenhang mit Nanopartikeln möglicherweise nicht anwendbar oder zuverlässig sind, was die derzeitigen Risikobewertungsverfahren in Frage stellt. Der Großteil der Forschungsarbeiten zur Nanosicherheit in der Umwelt konzentrierte sich bislang auf Gewässer. Die aktuellen Forschungsergebnisse zum Verbleib in der Umwelt lassen jedoch vermuten, dass wohl die Böden zur bedeutendsten Nanopartikelsenke unserer Umwelt werden. Nach ihrem Eintrag ins Abwasser passieren die Nanopartikel Abwasserbehandlungsverfahren, landen im Klärschlamm und können sich auf landwirtschaftlichen Flächen ansammeln, wo dieser Schlamm häufig ausgebracht wird. Worin bestehen die Hauptziele des Projekts? Dieses Projekt befasst sich mit der Toxikokinetik von mit Bodenorganismen in Kontakt gelangenden Metallnanopartikeln. In der Toxikokinetik beschäftigt man sich mit der Konzentration eines chemischen Stoffs im Körper bzw. der Geschwindigkeit, mit der er aufgenommen wird und ihn beeinflusst. Ziel ist die Klärung des Verbleibs der Nanopartikel in terrestrischen Ökosystemen und deren Auswirkungen auf diese mittels Fallstudien mit Nanopartikeln aus Zinkoxid und Silber, die verschiedene kinetische Wege des Verbleibs repräsentieren. Hauptziele des Projekts sind die kurz- und langfristige Bewertung der Toxizität von Metallnanopartikeln in Böden, die wichtigsten Expositionswege für Regenwürmer und ob es Unterschiede zu den Routen ionischer Metalle gibt, und letztlich der Einfluss der einwirkenden Agenzien auf die Toxizität der Metallnanopartikel. Was ist neu bzw. innovativ an dem Projekt und dem Weg, den es zur Lösung dieser Probleme geht? Wir haben eine Langzeituntersuchung durchgeführt, bei der Böden mit Silbernanopartikeln gelagert wurden und bis zu ein Jahr lang alterten. Die Toxizität der Bodenproben wurde zu Beginn und nach drei, sieben bzw. zwölf Monaten Alterung geprüft. Die Resultate zeigten, dass die Silbertoxizität im Lauf der Zeit zunahm, was letztlich bedeutet, dass die üblichen Kurzzeittoxizitätstests eine Unterschätzung der Umweltgefahren von Silbernanopartikeln zur Folge haben können. Parallel dazu fanden wir heraus, dass Silbernanopartikeln ausgesetzte Organismen in den Kurzzeituntersuchungen höhere Silberkonzentrationen als Organismen ansammelten, welche der gleichen Massekonzentration an Silberionen ausgesetzt waren. Diese den Nanopartikeln ausgesetzten Organismen litten tatsächlich weniger unter toxischen Auswirkungen. Beobachtungen dieser Art widersprechen der in der Toxikologie vorherrschenden Annahme, dass die internalisierte Konzentration in direktem Zusammenhang mit der chemischen Konzentration am Zielort und daher zu deren Toxizität steht. Aus dieser Beobachtung ergibt sich ein neues Paradigma für die Nanoökotoxikologie. Was man noch nicht weiß, ist, ob die angesammelten Metallnanopartikel längerfristig (z. B. durch Auflösung und Ionenfreisetzung) doch noch innerhalb der Zellen und Gewebe toxisch werden, wo die Silbernanopartikel gespeichert werden können. Sollte dies der Fall sein, können die akkumulierten hohen Konzentrationen letztlich in einer höheren Langzeittoxizität für Nanopartikel als bei ionischen Formen resultieren. Die angesammelten Nanopartikel könnten sich als interne Zeitbomben mit relevanter Langzeittoxizität und langfristigen Auswirkungen erweisen. Man muss jedoch bedenken, dass die prognostizierten Umweltkonzentrationen, die aus dem derzeitigen Einsatz von Nanopartikeln resultieren (siehe EU-Projektergebnisse, z. B. NANOFATE2), um ein Vielfaches kleiner als die in diesen Untersuchungen angewendeten sind. Im Einzelnen bedeutet das, dass ein Auftreten derartiger Ansammlungen von in Nanopartikelform vorliegendem Silber in der Umwelt oder letztlich im Menschen unwahrscheinlich ist. Welchen Problemen sind Sie begegnet und wie konnten Sie sie lösen? Die hauptsächlichen Schwierigkeiten gab es bei der Nachverfolgung von Nanopartikeln in den Geweben und Böden, da beides komplexe Matrices sind. Die Analyse der Partikel ist schon eine Herausforderung an sich, auch in Wasser. Aber um an Informationen über ihren Zustand in diesen Matrices zu gelangen, braucht man (aufgrund der niedrigen Nachweisgrenzen der zur Analyse eingesetzten hochspezialisierten Verfahren) oft unrealistische Expositionskonzentrationen oder man muss die Partikel aus den Matrices extrahieren, was möglicherweise den Zustand der Partikel verändern könnte. Im Rahmen dieses Projekts bin ich an die Universität Kentucky gereist, um mit Jason Unrine zu arbeiten. Ich verwendete unmittelbar vor der Analyse schonend mit Wasser extrahierte Bodenproben unter Einsatz von "Feld-Fluss-Fraktionierung" (Field-flow fractionation) und "induktiv gekoppelter Plasma-Massenspektrometrie" (Inductively coupled plasma mass spectrometry), um den Zustand der Nanopartikel in meinen gealterten Böden zu ermitteln. Um herauszufinden, welche Form (Speziation) von Silber und Zink aus dem Kontakt mit Nanopartikeln in den Würmern zu finden sein könnte, arbeitete ich mit den NANOFATE-Forschern an der Universität Cardiff zusammen, wo man die Wurmgewebe fixierte und deren Dünnschnitt vornahm. Ich hatte das Glück, über die Zeit zu verfügen, spezielle Anlagen wie das Diamond-Light-Source-Synchrotron im Vereinigten Königreich nutzen zu können, um zu untersuchen, wo und in welcher Form die Metalle und die potenziellen Nanopartikel in diesen Geweben aufzufinden sein könnten. Die größte Herausforderung besteht darin, dass sich Nanopartikel, sobald man sie aus der Flasche des Herstellers herausnimmt, zu verändern beginnen, und das insbesondere dann, wenn sie in Umgebungen wie natürliche Böden und Gewässer oder sogar Organismen gelangen. Deshalb muss während der Exposition viel charakterisiert werden, um den Zustand der Nanopartikel, denen die Organismen ausgesetzt waren, zu ermitteln und außerdem nachzuweisen, wie schnell sie sich von den ursprünglichen Partikeln in gelöste Ionen oder in Partikel mit völlig anderen Oberflächen verändern. Innerhalb dieses kurzen Projekts sind technische Lösungen zur Charakterisierung gefunden worden, aber diese Sache wird noch für viele Jahre eine logistische Herausforderung bleiben, da die Analyseausrüstung immer noch sehr spezialisiert und teuer ist und daher nicht allgemein zur Verfügung steht. Welche konkreten Resultate brachten die bisherigen Forschungsarbeiten? Das Projekt verhalf uns zu verschiedenen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Auswirkungen von Nanopartikeln auf die Umwelt und wie diese zu bewerten sind. Erstens wissen wir jetzt, dass der Bodensäuregehalt bzw. pH-Wert die Auflösung und Toxizität von ZnO-Nanopartikeln beeinflusst. Außerdem haben wir herausgefunden, dass die Toxizität von Silbernanopartikeln im Lauf der Zeit zunimmt und dass sich die Beschichtung der Partikel auf deren Toxizität für Wirbellose im Boden auswirkt. Die den Silbernanopartikeln für 28 Tage ausgesetzten Regenwürmer sammelten, wie bereits erwähnt, höhere Silberkonzentrationen als die den Silberionen ausgesetzten Regenwürmer an, ohne dass das Mehr an Silber aus den Nanopartikeln einen toxischen Effekt hatte. Überdies wurde als Hauptexpositionsweg für Silber- und Zinkoxidnanopartikel bei Regenwürmern die Bodenaufnahme identifiziert. Wie können Industrie und Entscheidungsträger gewährleisten, dass Nanomaterialien keine Auswirkungen auf unsere Umwelt haben? Wir hoffen, dass dieses Projekt sowie das damit in Verbindung stehende größere EU-Projekt NANOFATE Wissen und Werkzeuge bereitstellen werden, welche die Bildung von Standards zu Bewertungsverwahren für Umweltgefahren und -risiken ermöglichen, die mit wenigen wohl überlegten Modifikationen auf technisch entwickelte Nanopartikel angewendet werden können. Die derzeitigen Systeme und Protokolle zur Bewertung der chemischen Risiken sind über Jahrzehnte entwickelt worden. Wenn keine neuartigen toxische Mechanismen existieren, bedeuten unsere Ergebnisse, dass Nano so lange in Ordnung ist, wie wir die richtigen Dinge messen und realistische Expositionen in geeigneter Weise charakterisieren. Unsere Forschung verfolgt das Ziel, die minimal erforderlichen methodischen Optimierungen zu ermitteln. Bisher deutet alles darauf hin, dass der potenzielle Nutzen der Nanotechnologie neben anderen chemischen Stoffen auf sichere Weise realisiert und gehandhabt werden kann. Wir sind in diesem Stadium recht zuversichtlich, dass technisch entwickelte Nanopartikel keine größeren akuten Auswirkungen auf wichtige biologische Parameter - wie etwa die Reproduktion - als ihre ionischen Formen ausüben. Die NANO-ECOTOXICITY-Resultate demonstrieren, dass wir noch einiges zu tun haben, bevor wir laut und deutlich sagen können, dass wir nicht annehmen, dass es irgendeinen neuartigen Low-Level- oder Langzeiteffekt gibt. Wie bei allen chemischen Stoffen kann dieser Befund unmöglich anhand von Kurzzeittests bewiesen werden. Wir gehen davon aus, dass die endgültigen Schlussfolgerungen der Industrie und der Regulierungsbehörden zum sicheren Einsatz von Nanopartikeln nach einem Beweiskraftkonzept gezogen werden sollen und müssen, um nachzuweisen, dass es eine Kluft zwischen den vorhergesagten wahrscheinlichen Expositionswerten und jenen Werten gibt, die Auswirkungen oder Ansammlungen bei Ökosystemarten verursachen. Was sind Ihre nächsten Forschungsthemen? Dieses Projekt wurde abgeschlossen, aber der nächste Schritt mit einer anderen Finanzierungsmöglichkeit wäre, sich den zunehmend ökologisch relevanten Expositionsszenarien zu widmen, indem man analysiert, wie sich Nanopartikel in der Umwelt verändern und Wechselwirkungen mit lebenden Geweben und Organismen auf verschiedenen Trophiestufen eingehen. Ich möchte die Nanopartikeltransformation und Interaktionen in lebenden Geweben untersuchen. Bislang gab es nur Kurzzeitstudien zur übermäßigen Akkumulation nicht toxischer Metallbelastungen in Nanopartikeln ausgesetzten Organismen. Abgesehen von dem offensichtlich erhöhten Gefahrenpotenzial in Bezug auf die Übertragung in die Nahrungskette ist gleichermaßen nicht bekannt, ob das angesammelte, von Nanopartikeln stammende Metall über einen längeren Zeitraum letztlich in Geweben und Zellen giftig wirkt. Eine derartige Transformation und Freisetzung von Metallionen innerhalb von Geweben kann letzten Endes in stärkerer Langzeittoxizität der Nanopartikel als der ionischen Formen resultieren. Außerdem möchte ich die Expositionen in einem funktionierenden Modellökosystem einschließlich zwischenartlicher Interaktionen und Trophietransfer testen. Die Wechselwirkungen zwischen Biota und Nanopartikeln sind in natürlichen Bodensystemen zweifellos relevant. Es ist Vorsicht geboten, wenn man versucht, die ökologischen Konsequenzen von Nanopartikeln auf Grundlage von Laboruntersuchungen vorherzusagen, die mit nur einer einzigen Spezies durchgeführt werden. Wirken sämtliche biologischen Komponenten von Bodensystemen zusammen, können komplexe Nanopartikel einer Reihe von Wegen folgen, auf denen Beschichtungen verloren gehen und durch Exsudatmaterialien ersetzt werden können. Es sind daher Untersuchungen zur Quantifizierung der Natur dieser Wechselwirkungen erforderlich, um den Verbleib, die Bioverfügbarkeit und Toxizität realistischer "nicht ursprünglicher" Formen von in realen Böden vorhandenen Nanopartikeln zu ermitteln. Das Projekt wurde vom Natural Environment Research Council im Vereinigten Königreich koordiniert.Weitere Informationen finden Sie unter: Natural Environment Research Council http://www.nerc.ac.uk Projektdatenblatt

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