Gehirnströme können epileptische Anfälle vorhersagen
Wissenschaftlern vom Bernstein Centre an der Universität in Freiburg, Deutschland, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Vorhersage epileptischer Anfälle gelungen, indem sie die einem Anfall vorausgehenden Veränderungen im Gehirn von Patienten untersuchten. Finanziert wurde die kürzlich in der Fachzeitschrift Epilepsia veröffentlichte Forschungsstudie teilweise durch das Projekt EPILEPSIAE ("Evolving platform for improving living expectation of patients suffering from Ictal events"), das fast 3 Mio. EUR aus dem Themenbereich "Informations- und Kommunikationstechnologien" (IKT) des Siebten Rahmenprogramms (RP7) der EU erhielt. Epilepsie ist eine der am häufigsten vorkommenden schweren Gehirnerkrankungen und betrifft rund 1% der Weltbevölkerung. In Europa leiden rund 6 Millionen Menschen an dieser Erkrankung und Schätzungen zufolge werden 15 Millionen Menschen zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben mit Epilepsie diagnostiziert werden. Die größte Behinderung durch diese Krankheit stellen die scheinbar unvorhersehbaren epileptischen Anfälle dar, bei denen eine vorübergehende Störung der elektrischen Aktivität des Gehirns eine plötzliche elektrische Überlastung erzeugen. Sie wirken sich auf die normalen Funktionen das Gehirns aus und beeinträchtigen Bewegung, Verhalten und Bewusstsein einer Person. Professor Jens Timmer, Physiker am Freiburger Institute for Advanced Studies (FRIAS), erklärte, dass "in den vergangenen Jahren einige Methoden entwickelt wurden, um aus dem Elektroenzephalogramm, das die Gehirnströme misst, Eigenschaften zu bestimmen, die zur Vorhersage der Anfälle genutzt werden können." Für die einzelnen Methoden konnten jedoch bisher keine zufriedenstellenden Vorhersageleistungen beobachtet werden. Die Forscher untersuchten daher, ob durch die Kombination von mehreren Vorhersagemethoden eine deutliche Verbesserung erzielt werden kann. Sie waren sich einig, dass nur dann eine Warnung gegeben werden sollte, wenn zwei verschiedene Methoden innerhalb eines kurzen Zeitraums Alarm schlagen. Professor Andreas Schulze-Bonhage, Leiter des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Freiburg, hob die Wichtigkeit der Forschung hervor: "Leider wirken bei einem nicht unerheblichen Teil der Epilepsiepatienten gängige Medikamente nicht." "Insbesondere für diese Patienten wäre es deshalb ein großer Vorteil, falls ihre überraschend auftretenden Anfälle durch automatische Methoden vorhergesagt werden und die Patienten sich dementsprechend darauf vorbereiten könnten - auch durch schnell wirkende Medikamente." Seiner Meinung nach wären sie dann in der Lage, sich durch entsprechende Maßnahmen vor Verletzungen und sozialer Entblößung zu schützen. Die Studie stützt sich auf Messungen des Elektroenzephalogramms (EEG) direkt am Cortex von acht Patienten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die Vorhersageleistung durch die Kombination der Methoden im Mittel für alle Patienten um mehr als 50% erhöhte. "In unserer Studie konnte circa jeder zweite Anfall korrekt vorhergesagt werden", sagte Hinnerk Feldwisch-Drentrup vom Bernstein Centre, schränkte jedoch ein, dass die Ergebnisse dieser Studie allein nicht ausreichen würden, um die Technik in realen Situationen einsetzen zu können. "Dies ist zwar besser als eine zufällige Vorhersage, doch wohl noch nicht ausreichend, um in dieser Form klinisch eingesetzt zu werden", fügte er hinzu. Für ihre Bemühungen um weitere Verbesserungen haben die Wissenschaftler in Kooperation mit Partnern in Frankreich und Portugal eine umfangreiche Datenbank mit Elektroenzephalographie-Aufzeichnungen von derzeit 200 Patienten zusammengetragen, mit denen sie schon bald ihre Methoden testweise in Echtzeit bewerten wollen.
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