Gen für Kurzsichtigkeit bietet neue Therapiemöglichkeiten
EU-finanzierte Forscher entdeckten ein Gen für Kurzsichtigkeit (Myopie). Ihre im Fachblatt "Nature Genetics" veröffentlichten Ergebnisse könnten Hinweise zu den genetischen Ursachen der weltweit häufigsten Form von Fehlsichtigkeit liefern. Kurzsichtige Menschen sehen Objekte zwar aus der Nähe scharf, in weiterer Entfernung aber nur noch verschwommen. Ursache ist eine Brechungsstörung bzw. zu starke Bündelung des ins Auge einfallenden Lichtstrahls, weil der Augapfel entweder zu lang oder die Hornhaut, eine durchsichtige Schicht auf dem Auge, zu stark gekrümmt ist. Obwohl die neue Entdeckung keine sofortige Heilung verspreche, vermerken die Forscher unter der Leitung vom King's College London, Vereinigtes Königreich, dass bereits verschiedene Gentherapien zur Behandlung bestimmter Augenerkrankungen verfügbar seien und angewendet würden. Auch bei Myopie könne eine Gentherapie demnächst durchaus erfolgreich sein, so die Meinung der Forscher. "Das Auge ist bekanntermaßen für Gentherapien gut geeignet, da z.B. Medikamente aufgrund des kleinen, gut abgegrenzten Volumens konzentriert im Innern des Auges wirksam werden können", erklärt Professor Terry Young, Forscher am Zentrum für Humangenetik der Duke University und Koautor der Studie. "Da das Auge auch leicht zugänglich ist, können Ärzte den Behandlungserfolg über den gesamten Zeitraum durch nicht-invasive Verfahren bzw. Ausleuchten der Retina (Netzhaut) und anderer Strukturen im Auge überwachen." Kurzsichtigkeit sei meist keine Krankheit im eigentlichen Sinne, so Professor Young, pathologisch sei sie nur in 2%-3% aller Fälle, wenn sie mit einer Einblutung in die Makula, Netzhautablösung oder Glaukom bei Frühgeborenen und Erwachsenen einhergehe, welches zur Erblindung führen kann. Myopie kann auch bei der Wahl bestimmter Berufsrichtungen hinderlich sein, beispielsweise in der Luftfahrt. Allerdings könne etwas gegen Kurzsichtigkeit getan werden, wie die Forscher betonen, indem "die Menschen öfter nach draußen gehen und den Blick auf den Horizont richten", so Professor Young. "Die heutigen Tätigkeiten sind für das Auge sehr anstrengend, da es permanent Objekte in der Nähe erkennen muss - die Zeitung etwa oder den Computerbildschirm. Zudem sehen wir viel fern, arbeiten in Städten, die die freie Sicht durch hohe Gebäude verstellen, fahren im Stoßverkehr und können den Blick kaum noch in die Ferne schweifen lassen, was vor allem in Städten eklatant ist. Dies beeinträchtigt vor allem Kinder, die ihr Sehvermögen erst noch entwickeln, aber auch viele Erwachsene." Dr. Pirro Hysi vom King's College in London, Vereinigtes Königreich, ist Stipendiat einer europäischen Marie-Curie-Maßnahme und einer der Autoren der Studie. Er und seine Kollegen entdeckten verschiedene DNA-Abschnitte (DNA: Desoxyribonukleinsäure) in der Nähe des Gens RASGRF1, das stark mit Brechungsstörungen im Auge assoziiert wird. Das Forscherteam bestätigte die Genuntersuchungen bei 13.414 Menschen weißer Hautfarbe aus verschiedenen geografischen Regionen. "Da RASGRF1 in Neuronen und Retina stark exprimiert wird, kann es die Funktionsfähigkeit von Retina und visuellem Gedächtnis stark beeinflussen", erläutert Dr. Young. Tests an Mäusen, bei denen das Gen ausgeschaltet wurde, hätten Veränderungen an der Linse des Auges ergeben. "Dies lieferte uns den biologischen Beweis. An RASGRF1 können wir einen neuen molekularen Mechanismus erforschen, der uns therapeutische Möglichkeiten eröffnet, um die häufigste Ursache von Sehstörungen auszuschalten." Maßgeblich an der Studie beteiligt waren Forscher aus Australien, China, den Niederlanden, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten. Die jüngsten Ergebnisse wurden durch die drei EU-finanzierten Projekte ENGAGE, MY-EUROPIA und GENOMEUTWIN unterstützt. Das mit 12 Millionen EUR unter dem Themenbereich "Gesundheit" des Siebten Rahmenprogramms (RP7) geförderte Projekt ENGAGE (European network for genetic and genomic epidemiology) war darauf ausgelegt, die großen Datenmengen der umfangreichen Forschungen über molekulare Epidemiologie für Anwendungen im künftigen klinischen Alltag nutzbar zu machen. MY-EUROPIA (European training in myopia research) erhielt 3,17 Millionen EUR im Rahmen der Marie Curie-Maßnahme "Humanressourcen und Mobilität" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6). Ziel des bis Ende September 2010 laufenden Projekts ist die Stärkung der Myopieforschung in Europa. GENOMEUTWIN (Genome-wide analyses of European twin and population cohorts to identify genes in common diseases) wurde mit mehr als 13,6 Millionen EUR unter dem Themenbereich "Lebensqualität und Management lebender Ressourcen" des Fünften Rahmenprogramms (RP5) gefördert. Unterstützt durch europäische Forschungsergebnisse aus Genetik, Epidemiologie und Bioinformatik identifizierte das Projekt potenzielle genetische Ursachen und Risikofaktoren in der Lebensweise.
Länder
Australien, China, Spanien, Niederlande, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten