Neuer Atem für Klimamodelle
Die Ergebnisse zweier groß angelegter EU-finanzierter Studien sollen die Art und Weise verändern, wie Wissenschaftler die Beziehung zwischen Erdklima und Kohlenstoffkreislauf betrachten. Ein Bericht liefert eine Schätzung der gesamten Fotosynthese eines Jahres (bei der Kohlendioxid - CO2) aufgenommen wird), der andere misst die Auswirkungen der Temperatur auf die Atmung des Planeten (bei der CO2 freigegeben wird). Die neuen Schätzungen werden bestehende Modelle zu den Wechselwirkungen zwischen CO2 und Klima wesentlich verbessern. Beide Studien erhielten Fördermittel aus dem Projekt CARBOEUROPE IP ("Assessment of the European terrestrial carbon balance"), das mit 16,3 Mio. EUR aus dem Themenbereich "Nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen und Ökosysteme" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) unterstützt wurde. Die Partner von CARBOEUROPE IP wollen Europas terrestrische Kohlenstoffbilanz verstehen, quantifizieren und vorhersagen. Darüber hinaus nutzten die Wissenschaftler Daten von FLUXNET, einer internationalen Initiative, die ebenfalls EU-Mittel erhält, um den CO2-Austausch zwischen den Ökosystemen der Erde und der Atmosphäre zu überwachen. Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Deutschland untersuchte die Bruttoprimärproduktion (GPP, Gross Primary Production) der Erde, das ist die Gesamtmenge an CO2, die terrestrische Pflanzen pro Jahr durch Fotosynthese verbrauchen. Christian Beer und seine Kollegen erklären, dass GPP zusammen mit der Atmung einer der wichtigsten Prozesse beim CO2-Austausch zwischen Land und Atmosphäre ist. Als solcher ermöglicht sie den terrestrischen Ökosystemen, die anthropogenen CO2-Emissionen teilweise auszugleichen. Bis jetzt waren nur unverbindliche, auf Beobachtungen basierende Schätzungen der globalen terrestrischen GPP möglich. "Es ist wichtig ein Verständnis der Faktoren, welche die Primärproduktion verschiedener terrestrischer Ökosysteme kontrollieren, zu erlangen, weil wir Menschen viele Ökosysteme nutzen, indem wir deren Produkte wie Holz, Fasern und Nahrungsmittel verbrauchen", erklärte Dr. Beer. "Darüber hinaus ist ein solches Verständnis wichtig im Zusammenhang mit dem Klimawandel als Folge der CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, weil die Vegetation den Austausch von Treibhausgasen, Wasser und CO2 zwischen Land und Atmosphäre reguliert." Die Wissenschaftler nutzten neue Datenströme und kombinierten die Stärken von fünf verschiedenen diagnostischen Modellen zur Untersuchung der Primärproduktion während des Zeitraums 1998-2005. Sie sammelten große Mengen an Daten von FLUXNET, einem Netzwerk, das regionale und globale Analysen von Beobachtungen kleiner meteorologischer Messtürme koordiniert. In diesen Türmen wird der Austausch von CO2, Wasserdampf und Energie zwischen terrestrischen Ökosystemen und der Atmosphäre gemessen. Dr. Beer und Kollegen schätzen, dass jedes Jahr 123 Milliarden Tonnen CO2 von terrestrischen Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen werden. Die Forscher stellten auch fest, dass die CO2-Aufnahme am stärksten in den tropischen Wäldern ausgeprägt ist (34%) und dass Savannen für rund 26% der globalen CO2-Aufnahme verantwortlich sind. Niederschlag ist ein wichtiger Faktor bei der GPP-Abschätzung, da er die Menge an Kohlendioxid, die Pflanzen für die Fotosynthese verbrauchen, in mehr als 40% der bewachsenen Gebiete beeinflusst. Dieser Befund ist besonders wichtig, da man große Unterschiede zwischen den traditionellen Klimamodellen findet, von denen einige den Einfluss von Niederschlag auf die Primärproduktion überschätzen. "Mit unserer Arbeit haben wird einen Meilenstein erreicht, indem wir eine Fülle an Daten aus FLUXNET zusammen mit Fernerkundungsdaten und Klima-Reanalysen nutzten", sagte Dr. Beer. "Mit unserer Einschätzung der globalen GPP können wir zwei Dinge tun: unsere Ergebnisse mit Prozessmodellen [des Erdsystems] vergleichen und weitere Analysen der Korrelation zwischen GPP und Klima durchführen." Die genaue Auswirkung der Lufttemperatur auf die globale Atmung (durch die Organismen CO2 wieder in die Atmosphäre abgeben), gemeinhin als Q10 bezeichnet, ist Thema langjähriger Debatten. Aus den meisten Studien geht hervor, dass die globale Atmung sehr empfindlich auf Temperatur reagiert. Die meisten Vorhersagemodelle sind da allerdings anderer Meinung. Eine weitere internationale Studie unter der Leitung von Dr. Miguel Mahecha, der ebenfalls am Max-Planck-Institut für Biogeochemie arbeitet, untersucht die Auswirkungen kurzfristiger Schwankungen der Lufttemperatur auf die Freisetzung von CO2 durch die Pflanzen. Aufbauend auf den Beobachtungen von 60 verschiedenen FLUXNET-Standorten zeigten die Forscher, dass der Q10-Wert nicht von den durchschnittlichen lokalen Temperaturen und den spezifischen Eigenschaften eines Ökosystems abhängt. Ein Manko bisheriger Prognosemodelle, das sie beobachteten, war ihre fehlende Umsetzung konsistenter Zeitskalen. Dr. Mahecha und seine Kollegen analysierten die Atmung 60 verschiedener Ökosysteme mithilfe exakt der gleichen Zeitskala und bestimmten einen Q10-Wert von 1,4. Die Studie liefert Hinweise darauf, dass es eine universelle intrinsische Temperaturempfindlichkeit der Atmung terrestrischer Ökosysteme gibt. Zusätzliche Faktoren wie die langsame Umwandlung von Kohlenstoff im Boden und die Verfügbarkeit von Wasser spielen auch eine entscheidende Rolle bei der langfristigen Kohlenstoffbilanz. "Unser Hauptergebnis lautet, dass sich die kurzfristige Temperaturempfindlichkeit der Ökosystematmung gegenüber der Lufttemperatur einem einzigen, globalen Wert annähert", erklärte Dr. Mahecha. "Im Gegensatz zu früheren Studien zeigen wir, dass die Empfindlichkeit der Ökosystematmung gegenüber Temperaturschwankungen von äußeren Faktoren unabhängig und für alle Ökosysteme konstant zu sein scheint. Mit anderen Worten fanden wir einen allgemeinen Zusammenhang zwischen Temperaturveränderungen und der Ökosystematmung. Unsere Ergebnisse räumen scheinbare Widersprüche zwischen Modellierungs- und Feldstudien aus." Die neuen Schätzungen werden dazu beitragen, Prognosemodelle zu verbessern, mit denen Wissenschaftler die Auswirkungen des Kohlenstoffkreislaufs auf das sich ständig verändernde Klima der Erde quantifizieren können. Die Ergebnisse liefern den Wissenschaftlern wichtige Werkzeuge für ein besseres Verständnis der Ökosysteme unseres Planeten.
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