Wie Hefezellen durch Shmooing Tuchfühlung aufnehmen
Frauen und Männer wissen normalerweise schon nach wenigen Augenblicken, ob sie zueinander passen oder nicht - bei Hefezellen ist dies offensichtlich nicht anders. Einer neuen Studie kanadischer und britischer Forscher zufolge können Hefezellen innerhalb von zwei Minuten entscheiden, ob das Gegenüber der richtige Sexualpartner ist. Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Ergebnisse könnten Wissenschaftlern helfen, die Entwicklung von Krebszellen und Stammzellen besser zu verstehen. Als einzellige Mikroben dienen Hefen oft als Modellorganismus zur Erforschung von Zellfunktionen. Ihre Fortpflanzung verläuft normalerweise ungeschlechtlich über die sogenannte Knospung, wobei ein Teil der Zelle abgeschnürt wird und sich zu einer eigenständigen, identischen Zelle entwickelt. Manchmal jedoch pflanzen sich Hefezellen auch geschlechtlich fort, und zwar dann, wenn sich zwei Zellen unterschiedlichen Geschlechts von der Mutterzelle lösen, zur Paarung zusammenkommen und sich wieder voneinander trennen. Bei diesem Prozess nehmen die beiden Hefezellen über eine Art Ausbuchtung, das so genannte "Shmoo", miteinander Kontakt auf. Dieses "Shmooing" dauert in etwa zwei Stunden. Eine Forschungsgruppe des Imperial College London und der Universität Edinburgh, Vereinigtes Königreich, sowie der in Kanada ansässigen Universität Montreal und der McGill University, fand heraus, dass die Paarungsentscheidung einer Hefezelle durch die chemische Veränderung eines einzelnen Proteins gesteuert wird. Diese Veränderung findet innerhalb von zwei Minuten statt, sobald die Zelle die von der andersgeschlechtlichen Zelle abgegebenen Pheromone wahrnimmt. Die Forscher entdeckten, dass der Paarungsprozess initiiert wird, wenn die Pheromonkonzentration in der Umgebung der Zelle hoch genug ist. Bei zu niedriger Konzentration pflanzt sich die Zelle weiterhin asexuell fort. "Shmooing ist für Hefezellen ein sehr energieintensiver Prozess", erklärt Dr. Vahid Shahrezaei vom Imperial College London. "Dieser von der Pheromonkonzentration abhängige Umschaltprozess entstand unserer Meinung nach aus dem Bestreben der Zelle, nur dann auf eine geschlechtliche Vermehrung hinzuarbeiten, wenn der Partner nah genug herangekommen ist." Mithilfe eines mathematischen Modells untersuchten die Forscher, wie dieser Paarungsmechanismus in Hefezellen ein- und ausgeschaltet wird. Hierzu nutzten sie experimentelle Daten zu Pheromonkonzentrationen in der Umgebung von Hefezellen und den verschiedenen Proteinen, die den Prozess initiieren. Dr. Shahrezaei sagte: "Hefezellen leben in einer sehr geräuschintensiven Umgebung - sie sind umgeben von verschiedensten chemischen Substanzen wie Pheromonen oder Nährstoffen. Und auch ihre eigene Zellmaschinerie produziert zahllose, miteinander interagierende Biomoleküle. Wir wollten herausfinden, wie die Zellen sich in dem Durcheinander zurechtfinden und was die molekularen Auslöser für einen so wichtigen Entscheidungsprozess wie die Paarung sind." "Indem wir Experimente mit mathematischen Modellen kombinierten, die eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, konnten wir genau die Vorgänge im Innern einer Hefezelle aufzeigen, aufgrund derer die Entscheidung für einen bestimmten Partner fällt. Wir konnten auch nachweisen, wie robust dieser Entscheidungsmechanismus ist, denn er lässt sich nicht durch die molekulare Geräuschkulisse stören", wie er hinzufügt. Den Forschern zufolge könnte sich dieses mathematische Modell auch zur Entwicklung neuer Medikamente und Therapien eignen, da es die Ursachen für Veränderungen innerhalb von Zellen aufzeigt, beispielsweise bei der Umwandlung von normalen Zellen zu Krebszellen. Hefezellen und Säugerzellen enthalten viele gleiche Proteine, die Kettenreaktionen auslösen und dadurch Zellveränderungen hervorrufen. "Obwohl Hefezellen sich auf molekularer Ebene stark von humanen Zellen unterscheiden, hat der Mensch viel mit Hefen gemeinsam", so Dr. Stephen Michnick von der Universität Montreal. "Die gleichen Moleküle, die den Umschaltprozess in Hefen steuern, findet man in ganz ähnlicher Form in menschlichen Zellen. Vergleichbare Umschaltprozesse finden bei Stammzellen in der Embryonalentwicklung und bei der krankhaften Teilung von Krebszellen statt."
Länder
Kanada, Vereinigtes Königreich